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Catwalk trotz Corona?:Wie Designer die Fashion Week durchziehen - n-tv NACHRICHTEN

Ins Netz gegangen - die Pandemie zwingt die Berliner Modewoche ins World Wide Web. Modisch hat das Coronavirus bereits einige neue Entwicklungen hervorgebracht, sogenannte "Lounge Wear" boomt. Doch wie geht es den Designern? Und wie hat die Krise die Branche verändert?

Die Corona-Krise hat die gesamte Modewelt auf den Kopf gestellt, Fashion Weeks sind abgesagt, Yves Saint Laurent zum Beispiel hat die komplette Pre-Collection gestrichen, viele Labels reduzieren ihre Kollektionen um 30 Prozent und der Begriff "Luxus" wird ganz anders geprägt. Auch die Berliner Modewoche reagiert und zieht diesen Winter um - ins Internet: Die großen Schauen werden online übertragen. Das ganze Tamtam mit eingeflogenen Prominenten fällt wegen der Pandemie aus. Aber zuschauen kann dafür jeder von zu Hause - dann auch in Jogginghose. Oder mit Handtuchturban auf dem Kopf. Eröffnet wird der große Laufsteg am heutigen Montag um 18 Uhr vom belgischen Designer Tom Van Der Borght.

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"Streetwear" aus Mailand, präsentiert in den Straßen Mailands - Etro macht's vor.

(Foto: REUTERS)

Normalerweise sitzen Hunderte Zuschauer auf den Bänken. Diesmal gelten Sicherheitsvorkehrungen. Kein Publikum, dafür Corona-Tests für Mitarbeiter. Der große Laufsteg liegt im alten Kraftwerk in Mitte. Die Videos werden dann online gezeigt. "Davon erhoffen wir uns einen Zuwachs an digitalen Zuschauern aus der Branche, aber auch aus der modeinteressierten Öffentlichkeit", teilt Marcus Kurz vom Veranstalter Nowadays mit. Für Designer Van Der Borght ist das Ganze nach eigenen Angaben ein interessantes Format. Er plant eine Mischung aus Kunstperformance und Modenschau. "Ich glaube, ich habe schon mehr Modenschauen online gesehen als in echt", so der 42-Jährige. Das Gute sei: Man könne im Video zurückspulen, wenn einem etwas gut gefallen habe.

Von Montag bis Mittwoch sind also Schauen bei der Mercedes-Benz Fashion Week im Kraftwerk angesetzt: Marc Cain, Rebekka Ruétz und Kilian Kerner sind dort zu finden. Auch beim Berliner Salon zeigen sich Labels online, Designerin Anja Gockel will aus dem Hotel Adlon senden. Geplant sind bis Sonntag noch einige andere digitale Veranstaltungen.

Die Warenkörbe werden kleiner

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Die Ochsenknecht-Ladys 2019 bei der Marina Hoermanseder Fashion Show in Berlin.

(Foto: imago images / Future Image)

Einige bekannte Namen allerdings fehlen - zum Beispiel Designerin Marina Hoermanseder. Dass sie diesmal nicht mit einer knalligen Show dabei ist, liege wesentlich an der Pandemie, sagt Hoermanseder. Wer ihre Shows kenne, wisse, was sie für eine Vorstellung von einem solchen Event habe. Aber 800 Showgäste und eine Aftershowparty mit 1500 Gästen seien derzeit "aus gutem Grund" nicht möglich, weiß die junge Mutter. Aus ihrer Sicht ist in der Pandemie das Online-Business für die Modebranche noch wichtiger geworden. Darauf will auch sie ihren Fokus legen. Sie stellt fest: Die Menschen bestellen zwar häufiger, aber die Warenkörbe werden kleiner.

Kilian Kerner, der dieses Jahr sein 20. Bühnenjubiläum feiert, freut sich trotz allem: "Ich bin froh, dass ich einfach wieder arbeiten konnte und kann. Shows zu machen und zu zeigen, was man entworfen hat, ist ein tolles Gefühl. Ich kann auch dieses ewige 'Ach na ja, nur online' nicht mehr hören." Kerner ist sich sicher, dass man von dieser Saison noch lange sprechen wird. "Dass es in dieses harten Zeiten überhaupt möglich ist, seine Entwürfe zu zeigen, bedeutet ein riesigen Aufwand: Von den Designern, den Veranstaltern und der Stadt Berlin." Er hat nach einer Zeit der Stille wieder gut zu tun und arbeitet an mehreren Projekten, aber: Ihm fehlen Umarmungen. "Und der Tennisplatz", lacht er.

Schön gemacht im Zoom-Meeting?

Derzeit sind viele Läden in Deutschland geschlossen. Modisch stellen sich da durchaus neue Fragen: Ist es zum Beispiel okay, in Schlafanzughose im Homeoffice zu sitzen? Van Der Borght findet, man solle tragen, was einem gefalle. Er persönlich würde sich für einen Einhorn-Pyjama entscheiden.

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Lena Hoschek im Januar 2020 in Berlin - sie vermisst es!

(Foto: dpa)

Ähnlich sieht das Designerin Lena Hoschek aus Österreich. "Gott sei Dank leben wir in keinem Zeitalter mehr, in dem es einen bestimmten Kleidungszwang gibt. Die Frage ist nur, wie fühlt man sich selbst am wohlsten", so Hoschek. "Ich glaube, dass die meisten von uns die Jogginghose mittlerweile schon satt haben und sich eigentlich gerne schön anziehen, wenn sie mal eine Konferenz haben."

Kilian Kerner hat über Weihnachten systematisch ausgemistet, verrät er: "Ich hatte über 60 Jogginghosen und unzählige Hoodies." Daran, dass man sich für sich selbst schick macht, glaubt der Designer nicht: "Ich hatte mich zum ersten Mal im Leben fünf Wochen nicht rasiert - ich habe mich selbst nicht wiedererkannt."

Die Wienerin Lena Hoschek sieht in der Pandemie eine große Chance für ein Umdenken beim Konsumenten. "Shop Local war die erste Initiative, die mich sehr begeistert hat - als der Konsument von sich aus heimische Betriebe unterstützt und vermehrt heimische Produkte konsumiert hat", teilt sie, die schon immer in ihrer Heimat Wien produziert, mit.

Ökologischer Unsinn

Sie hat sich inzwischen dafür entschieden, ihre Kollektion nicht in Berlin, sondern zu einem anderen Zeitpunkt online vorzustellen. Der sehr frühe Termin im Januar habe ihr schon seit Jahren zu schaffen gemacht. Einen ersten Ausblick auf neue Entwürfe will sie nun im Februar geben. Berlin fehle ihr aber: "Die Berlin Fashion Week habe ich immer sehr geliebt - die Stadt, den Trubel rund um die Fashion Week - das werde ich sehr vermissen."

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Der Maestro bei der Arbeit: Michael Michalsky nimmt den Feinschliff vor.

(Foto: imago/tagesspiegel)

Auch Michael Michalsky sieht Corona als Chance: "Die Designer müssen dazu lernen, sich mit den Möglichkeiten der Technologie befassen. Dann fallen ihnen völlig neue Formen der Produktpräsentation ein", erläutert Michalsky. Er selbst habe bei seinen digitalen Shows Avatare verwendet, solche Ansätze seien am "zukunftsweisenden". Fashion-Events, für die Hunderte Leute aus der ganzen Welt anreisen, seien dagegen ein Auslaufmodell, findet der 53-Jährige: "Das ist ökologischer Unsinn und auch nicht mehr kreativ oder zeitgemäß." Seine Prognose: Einige Fashion Weeks werden wegfallen, "es gibt einfach zu viele". Und die, die übrig bleiben? Die finden vielleicht nur noch im Netz oder VR-Space statt.

Dass sich mit Frankfurt am Main nun eine weitere Stadt als Modestandort etablieren könnte, macht es für Berlin nicht leichter. Die Messe Premium hatte im Sommer 2020 bekannt gegeben, nach Frankfurt zu ziehen. Die vielen Termine - München, Düsseldorf, Frankfurt, Berlin - erschwerten es Einkäufern sehr, findet Lena Hoschek. "Wenn ich aus dem Ausland kommen würde, wüsste ich nicht, wo ich hinfahren soll. Ich glaube daher, dass alles eher regional wird."

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Kerner freut sich, dass überhaupt etwas stattfindet, vermisst aber den Kontakt mit Menschen.

(Foto: imago images / Future Image)

Ihre Kollegin Hoermanseder will die Entwicklung der Mode-Events in Deutschland beobachten. Die österreichische Designerin ist ein echtes Mode-Phänomen. Die 34-jährige Wahlberlinerin macht Mode im Look orthopädischer Lederkorsetts und Stars wie Lady Gaga, Taylor Swift oder Kylie Jenner lieben sie dafür. "Lady Gaga war die Erste, die mich entdeckt hat. Darauf bin ich besonders stolz." Und ergänzt: "Dadurch, dass unser Blick strategisch immer zunehmender auch auf Amerika gerichtet ist, wollen wir uns momentan gar nicht für Frankfurt oder Berlin entscheiden müssen."

Wie man das alles aushält? Immer weiter Mode machen, träumen, Details hervorheben. "Das ist ganz klar eine Realitätsflucht", so Kilian Kerner, "aber wie sollte man das alles ohne eine Traumwelt auch aushalten?" Sein Kollege Michalsky ist da etwas realistischer: "Modetrends fallen für 2021 aus, die Menschen sind mit anderen Themen beschäftigt."

Wer mal in der Front Row - zu Hause - sitzen möchte, geht auf die Seite der Mercedes Benz Fasion Week.

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