"Reframing Britney" Jung, weiblich, sexy in den 90ern: Doku über Britney Spears zeigt den damaligen Horror
Die "New York Times" hat sich den Fall Britney Spears in einem Dokumentarfilm vorgenommen. Über den Rechtsstreit und die Person Spears erfährt man darin nichts Neues – dafür wird das Problem der 90er mit weiblichen Stars deutlich.
Die Bilder gingen damals um die Welt: Britney Spears, wie sie sich die langen blonden Haare raspelkurz rasiert hatte, wie sie mit einem Regenschirm auf ein Paparazzi-Auto einschlug. Seit 2008 steht Spears wegen nicht genauer definierten psychischen Problemen unter der Vormundschaft ihres Vaters, hat keinen selbstbestimmten Zugriff auf ihr Vermögen. Im vergangenen November gab es dazu eine Anhörung vor Gericht, eine Richterin bestätigte die Vormundschaft erneut - doch Fans der Sängerin protestieren schon länger massiv dagegen. Nun beschäftigt sich eine neue Dokumentation der "New York Times" mit dem Fall.
"Wir wollten beleuchten, wie es dazu kam", sagt die Redakteurin Liz Day, die die Doku betreut hat. Wie ihre Erzählungen deutlich machen, ist es nämlich nicht nur der Rechtstreit mit Spears' Vater, der Fragen aufwirft. Man muss auch einen Blick auf die damalige Zeit werfen.
Frauenhass verkauft sich gut
Britneys rasierter Schädel, das war noch vor #MeToo, vor den weltweiten Frauendemos wegen Trump, bevor Heidi Klum auch mal "Mädchen" mit Kleidergröße 38 zum Casting einlud. Es war eine Zeit, in der es zwar schon Internet und Mobbing gab – aber von Hass im Netz noch niemand gehört hatte. Ihre größten Charterfolge hatte sie wenige Jahre nachdem der amerikanische Präsident seine fast dreißig Jahre jüngere Praktikantin den Medien weltweit zum Fraß vorwarf und seelenruhig weiterregierte. Damals also, da wunderte sich niemand, dass Britney Spears in der Pepsi-Werbung als Sexobjekt für ältere Männer posierte. Oder dass in Interviews gefragt wurde, ob sie noch Jungfrau sei, oder dass ihr Körper jede Woche neue Schlagzeilen machte – weil er wahlweise als zu dick oder zu dünn empfunden wurde. Frauenhass verkaufte sich gut.
"Obwohl es erst zwei Jahrzehnte her war, hat unser Team sich bei vielen Videoaufnahmen gefragt, ob sich das Ganze heute noch so abspielen würde", erzählt Day. Und so ist "Reframing Britney", das am Wochenende in den USA im TV lief, nicht nur eine Doku über die entmündigte Britney Spears geworden. Es ist auch eine Studie der damaligen Promi-Kultur, in der öffentliche Demütigungen für erfolgreiche Frauen die Regel waren.
Jessica Simpson erlebte Ähnliches
Wie heftig die 90er und 2000er mit ihren weiblichen Idolen umging, war erst kürzlich auch in der Autobiografie von Jessica Simpson nachzulesen. In "Open Book" erzählt sie, wie ihr Männer vorschrieben, welches Image sie zu bedienen hatte und welcher Druck auf ihrem Äußeren lag. Sie konkurrierte damals mit Spears, sollte bestenfalls genauso sexy sein – nur frommer. "Die sexy Jungfrau konnte ich noch irgendwie verkaufen. Aber so zu tun, als sei ich eine Frau, die Sex liebt, es aber noch nie getan hat, stellte mich vor ein unlösbares Matheproblem", schreibt Simpson. Sie geht auch auf den "Momjeans-Skandal" ein, und meint damit die Schlagzeilen, die sie jahrelang (!) begleiteten, nachdem sie sich 2009 in einer unvorteilhaft geschnittenen Hose auf die Bühne begeben hatte.
Auch an Simpson ging das nicht spurlos vorbei, sie litt an Alkoholsucht. Doch im Gegensatz zu Spears schaffte sie es, das Trauma als weiblicher Millennium-Popstar zu überwinden. Heute ist sie glücklich verheiratet, ihre eigene Modelinie war zwischenzeitlich eine Milliarde Dollar wert. Für Spears hingegen ist auch heute noch kein Happy-End in Sicht.
Quellen: "NY Times", "Washington Post"
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