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Funhouse A9-9820 im Test: Wir haben einen Xbox-One-Chip als PC genutzt - Golem.de - Golem.de

Die Idee, ein Windows oder Linux auf einer Spielekonsole zu installieren, ist uralt. Dank des Funhouse-Boards klappt das ... mehr oder weniger.

Ein Test von und
Durango-Chip der Xbox One als DIY-Mainboard
Durango-Chip der Xbox One als DIY-Mainboard (Bild: Martin Wolf/Golem.de)

Eine Spielekonsole ist kein PC, denn weder Microsoft noch Sony gestatten die Installation eines beliebigen Betriebssystems oder jeglicher Anwendungen. Die Xbox- und Playstation-Systeme der vergangenen Jahre basieren allerdings auf x86-Hardware, weshalb die Kompatibilität primär an der Firmware scheitert.

Vor einigen Monaten aber tauchte mit dem Funhouse A9-9820 eine sehr interessante Platine bei chinesischen Händlern auf: Hinter der obskuren Bezeichnung verbirgt sich ein Mainboard, das den Chip der ursprünglichen Xbox One mit modernen Schnittstellen wie einem M.2-Slot für eine NVMe-SSD kombiniert.

Wir haben die Funhouse-Platine gekauft und probiert, wie sich ein Xbox-One-SoC unter Windows und Linux schlägt. Der Versand dauerte mehrere Wochen und unser erstes Muster war ein Dead-on-Arrival, das Mainboard ließ sich mit keinem DDR3-Speicherkit betreiben. Erst ein zweites Brett ermöglichte es uns, Betriebssysteme zu installieren.

Kuriose Sammlung an Anschlüssen und Slots

Beim Board selbst handelt es sich um eine Micro-ATX-Platine, die sich in handelsüblichen Gehäusen verbauen lässt. Die Bohrungen um den Xbox-One-Chip entsprechen aktuellen Intel-LGA-115x/1200-Fassungen, das SoC weist jedoch eine geringere Sockel-Höhe auf. Daher legt Funhouse einen zu verschraubenden Aluminium-Kühler bei, der weder besonders leise noch besonders laut ist.

  • Das Cato/Durango-SoC zwischen den vier Speicherbänken (Bild: Golem.de)
Das Cato/Durango-SoC zwischen den vier Speicherbänken (Bild: Golem.de)

Unsere Platine ist als AMD_BL2 v2.3 gekennzeichnet, produziert wurde sie von MSI. Neben dem Xbox-One-SoC befinden sich vier DDR3-1866-Speicherslots für bis zu 16 GByte (4x 4 GByte), ein PCIe- und ein M.2-Steckplatz, vier Sata-6-GBit/s-Ports, vier USB 2.0, zwei USB-A 3.2 Gen1, PS/2, Gigabit-Ethernet und ein HDMI-Ausgang auf dem Board. Die meisten dieser Anschlüsse werden durch den A77E-Chip (Bolton) gestellt, der Embedded-Variante des A78 aus Zeiten des Sockel FM2+.

Der PCIe-Slot ist nur mit Gen2 x1 angebunden, weshalb er sich nicht für Grafikkarten eignet. Der M.2-Steckplatz lässt sich mit Sata- oder NVMe-SSDs (PCIe Gen2 x2) betreiben, dafür müssen allerdings vier Jumper umgesetzt werden. Mit einer M.2-auf-PEG-Riser-Card können wir moderne Pixelbeschleuniger verbauen, bei nur 1 GByte/s an Bandbreite werden diese aber massiv ausgebremst.

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Uns hat ohnehin viel mehr interessiert, wie sich die CPU-Kerne und die integrierte Grafik des Xbox-One-Chips schlagen, wir sind jedoch über allerhand Probleme gestolpert.

Microsoft hat zwei Varianten des SoC der Xbox One (S) produziert: Die erste alias Durango wurde in TSMCs 28-nm-Verfahren produziert, die zweite alias Edmonton hingegen mit TSMCs 16 nm. Auf dem Funhouse-Board sitzt ein 28-nm-Durango mit anderem Label, woher auch immer diese Chips stammen mögen.

Laut Firmware wird das SoC als Cato bezeichnet, die integrierte Grafik als Panther - wohl eine Anspielung auf die rosarote Katze und Inspektor Jacques Clouseaus Diener. Das BIOS wirkt unfertig, diverse Optionen sind ausgegraut oder schlicht Platzhalter. Andere, etwa um der iGPU bis zu 2 GByte statt 512 MByte zuzuweisen, lassen sich nur indirekt nutzen.

Cato/Durango nutzt Cat-Cores, konkret acht modifizierte Jaguar-Kerne von AMD. In der Xbox One (S) takten diese mit 1,75 GHz und in der Xbox One X mit 2,3 GHz. Das Funhouse-Board hat zwei Optionen: Als RX-8120 läuft der Ocatcore mit der niedrigeren und als A9-9820 mit der höheren Frequenz. Die Performance fällt selbst verglichen mit aktuellen Billig-Dualcores arg niedrig aus, was primär an der sehr schwachen Singlethread-Geschwindigkeit der Jaguar-Cores liegt.

Nur ein einziger Grafiktreiber verfügbar

Auffällig war, dass wir trotz Quadchannel-DDR3-1866-Speicher lesend wie schreibend nur 15 GByte/s als CPU-Bandbreite erreicht haben; rechnerisch sind knapp 60 GByte/s möglich. Hintergrund ist die Jaguar-Northbridge-Architektur, die maximal 15 GByte/s pro Richtung gestattet. Erst bei parallelen Anfragen steigt die Bandbreite auf bis zu 19 GByte/s.

  • 16 GByte DDR3/DDR4, iGPU except R7 240 for FX-8350, Windows 10 v1909/v2004 (Bild: Golem.de)
16 GByte DDR3/DDR4, iGPU except R7 240 for FX-8350, Windows 10 v1909/v2004 (Bild: Golem.de)

Spannend wird es bei der integrierten Grafikeinheit: Die basiert auf der Bonaire-Architektur (GCN v2) und hat theoretisch 896 Shader-Einheiten, bei der Xbox One sind jedoch zugunsten der Ausbeute (Yield) nur 768 ALUs aktiv. Die Panther-GPU des Cato-SoC auf dem Funhouse-Board scheint ein Vollausbau zu sein, der überdies mit 985 MHz taktet - die Xbox One läuft mit 853 MHz, die Xbox One S mit 914 MHz.

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Windows 10 findet wenig überraschend keinen Treiber für die Grafikeinheit, AMDs aktuelle Radeon-Software kann damit ebenfalls nichts anfangen. Die Device-ID lautet 1002:154C und die GPU wird je nach Tool als Panther oder als Kryptos bezeichnet; so lautet der Codename für die Xbox-Durango-Grafik. Unter Windows 10 springt daher der Basic Display Adapter an, der den WARP-Software-Rasterizer nutzt.

Als einziger verfügbarer Treiber findet sich eine Radeon Software 17.12 (veröffentlicht im April 2019), die offenbar von einem MSI-Partner wie Chuwi stammt. Weil der Treiber so alt ist, stürzen Spiele wie Gears Tactics oder Horizon Zero Dawn ab oder verweigern direkt den Start. Ältere Titel aber funktionieren prinzipiell.

Über das Quadchannel-Interface holt sich die Grafikeinheit rund 32 GByte/s an Daten, was gerade einmal die Hälfte der theoretischen Bandbreite ist. Schlimmer noch: Das SoC der Xbox One hat eigentlich 32 MByte ESRAM integriert, der als Pufferspeicher dient und satte 218 GByte/s liefert - bei Cato/Panther ist er leider inaktiv.

Ergo fällt die GPU-Performance bescheiden aus, so läuft Counter Strike: Global Offensive in 720p bei mittleren Details mit 30 fps und Skyrim in 1080p mit Medium-Einstellungen mit 35 fps. Anspruchslose Titel wie Lego Builder's Journey im Classic-Mode kann die Xbox-Grafikeinheit in 1080p mit 60 fps darstellen; das schaffen aber auch aktuelle iGPUs von AMD und Intel locker.

Abseits von Spielen wird klar, dass die Panther-GPU eine stark veraltete Video-Codec-Engine (VCE), einst Unified Video Decoder (UVD) genannt, aufweist: Sie beschleunigt zwar H.264, allerdings nur in 1080p und nicht in 4K. Das reicht, um Netflix-Filme laufen zu lassen und dank der acht Jaguar-Kerne klappt sogar 1080p60 mit VP9-Codec bei Youtube via Edge-Browser. Mit besseren Codecs wie H.265 oder gar AV1 ist die Xbox-Grafikeinheit überfordert, die CPU ohnehin.

Linux ohne 3D-Grafik

Mit aktuellen Linux-Distributionen, etwa Ubuntu 21.04, startet das Board problemlos per USB-Stick oder über eine vorbereitete SSD. Soweit es die Leistung der CPU erlaubt, lässt sich das Linux-System wie gewohnt nutzen und Anwendungen wie der Firefox-Browser laufen ohne größere Einschränkungen. Dabei lässt sich die Peripherie des Geräts wie das Gigabit-Ethernet verwenden.

  • Der Cato-Chip wird als RX-8210 vermarktet. (Bild: Golem.de)
Der Cato-Chip wird als RX-8210 vermarktet. (Bild: Golem.de)

Wie unter Windows haben wir auch unter Linux das Problem des fehlenden 3D-Grafiktreibers. Zwar können wir hier mit LLVMpipe ebenfalls auf einen Software-Rasterizer setzen, um wenigstens eine Grafikausgabe zu erhalten. Je nach genutzter Hardware gibt es aber das Problem, dass wir lediglich eine Auflösung von 800 x 600 Pixeln angezeigt bekommen.

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Ein produktiver Einsatz ist so abseits eines kleinen Heim-Servers ohne Display oder Ähnlichem kaum möglich. Tricks, wie das Ändern der PCI-ID, um den Linux-Kernel doch noch zur Nutzung eines echten 3D-Grafiktreibers von AMD zu bewegen, scheiterten.

Zwar ist es anders als unter Windows für Linux noch prinzipiell möglich, dass die Linux-Community einen freien Treiber auf Grundlage des bereits vorhandenen AMD-Codes für das SoC erstellt. Angesichts der sehr geringen Verbreitung des Chips erscheint das jedoch eher unwahrscheinlich.

Wir haben die Funhouse-Platine mit Xbox-One-Chip bei Alibaba gekauft, dort kostet das Mainboard samt A9-9820 inklusive Versand nach Deutschland rund 130 Euro. In Anbetracht dessen, dass es eine Xbox One S für etwa 220 Euro gibt, mag das günstig erscheinen. Um das Funhouse-Brett in Betrieb zu nehmen, braucht es aber noch RAM und HDD/SSD plus ein Netzteil.

Fazit

Es fasziniert uns immer wieder, auf welchen Umwegen manche Prozessoren abseits ihrer eigentlichen Bestimmung im Handel landen. Wir hätten bis vor wenigen Monaten nicht erwartet, dass es jemals einen Xbox-One-Chip auf einer frei verkäuflichen Platine geben wird. Doch das Funhouse-Board hat uns eines Besseren belehrt, wenngleich die Praxistauglichkeit eines damit aufgebauten Systems fraglich ist.

Schon 2013 war das 28-nm-Durango-SoC der Xbox One ein Mittelklasse-Prozessor, aus Desktop-Sicht sind die acht Jaguar-Kerne besonders lahm gewesen. Insbesondere deren arg niedrige Singlethread-Leistung sorgt für eine träge Reaktionsgeschwindigkeit, die meisten Spiele nutzten den Octacore nicht aus. Hinzu kommt, dass es nur einen alten Grafiktreiber für die Krypto/Panther-GPU gibt und der schnelle ESRAM-Puffer abgeschaltet wurde.

Daher starten viele Titel nicht und wenn doch, dann laufen sie äußerst langsam, da die Xbox One nie dafür ausgelegt war, einzig mit langsamem DDR3-Speicher zu arbeiten. Im Multimedia-Bereich stört, dass die Grafikeinheit mit modernen Codecs nichts anzufangen weiß, bei 1080p und H.264 ist bereits Schluss. Empfehlen können wir das Funhouse-Board daher niemandem außer Sammlern von kurioser Hardware.

Woher die Xbox-One-Chips übrigens stammen und warum Hersteller wie Chuwi und MSI diese auf eine Hauptplatine gepackt haben, wissen wir nicht. Es scheint aber so, als hätte AMD einst eine Embedded- oder OEM-Variante des Durango-SoC geplant und dann verworfen. Die Idee an sich hat jedoch überlebt, denn erst letzte Woche hat AMD mit dem 4700S Desktop Kit auf Basis des selbst entwickelten Cardinal-Mainboards eine Platine veröffentlicht, die einen Playstation-5-Chip nutzt.

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Beim Funhouse-Board dient der abgeschaltete ESRAM der Krypto/Panther-GPU als trennendes Merkmal zur Xbox One, beim 4700S Desktop Kit hat AMD die integrierte RDNA2-Grafikeinheit gar gleich komplett deaktiviert. Eine vollwertige Spielekonsole oder zumindest deren Chip/Hauptplatine als klassischen PC einzusetzen, ist eben nichts, was Microsoft oder Sony gestatten.

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