Der Alarmruf kommt gewöhnlich vor neun Uhr morgens: »Müller hat offenbar noch ein paar #PS5-Konsolen auf Lager«, twittert das Portal »GamesWirtschaft« am Mittwochmorgen. Drei Minuten später kommt die Rückmeldung: Es haben sich schon mehr als 6000 Interessenten für die Sony-Spielekonsole auf der Warteliste des Onlineshops eingetragen. Kurz darauf heißt es: ausverkauft. Nur ein Nutzer meldet, dass die Bestellung geklappt hat, die meisten haben jedoch wieder keine Playstation 5 abbekommen. Für sie heißt es: Warten auf den nächsten »Drop«.
Seit dem Deutschland-Start der neuen Konsolen-Generation im vergangenen Herbst ist es immer das gleiche Spiel: Sobald ein Händler eine Lieferung der begehrten Ware erhalten hat, überlaufen Interessenten dessen Website. Nur wenige können eine Bestellung erfolgreich abschließen.
Selbst wenn das klappt, gibt es immer wieder nachträgliche Enttäuschungen: Händler stornieren Bestellungen oder verlegen das Lieferdatum um Wochen oder gar Monate nach hinten. Bei der XBox Series X von Microsoft sieht es nicht besser aus: Hier gab es zwischen Mitte Juli und Mitte August gleich gar keine bekannten neuen Lieferungen an den deutschen Handel.
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Die Gründe für die Lieferverzögerung sind bekannt und vielfältig. Zum einen hat der Chipmangel, der viele Branchen belastet, auch die Spielekonsolen-Hersteller erwischt. Sie können daher nicht so viele Geräte produzieren wie sie wollten. Hinzu kommen weltweite Logistik-Probleme, die von der Corona-Pandemie ausgelöst oder verstärkt wurden.
Der dritte Punkt ist vielleicht der wichtigste: Die neuen Spielekonsolen treffen auf eine deutlich gewachsene Spielergemeinde. Waren Konsolen früher eher ein Weihnachtsgeschenk für Teenager gönnen sich heute auch Berufstätige oder gar Senioren so ein Gerät. Mit Preisen ab 500 Euro erscheinen sie geradezu günstig, der Lebensmittel-Discounter ALDI verkauft derzeit Spiele-PCs für 3700 Euro.
Schneller ausgeliefert als die Playstation 4
Sony ist sich des Problems bewusst: »Die PS5 erreichte zwar schneller als jede unserer vorherigen Konsolen mehr Haushalte, aber wir haben noch viel Arbeit vor uns, da die Nachfrage nach PS5 weiterhin das Angebot übersteigt«, erklärte der Chef von Sony Interactive Entertainment, Jim Ryan, Ende Juli. Da hatte der Konzern weltweit zehn Millionen Playstation 5 ausgeliefert. Wie viele davon nach Deutschland kamen, verrät der Konzern nicht.
Eine Besserung stellte Ryan aber nicht in Aussicht. Wer eine Playstation 5 vor Weihnachten kaufen will, braucht demnach Glück. Oder viel Geld. Vereinzelt bieten Kleinhändler Konsolen mit saftigem Aufpreis von mehreren Hundert Euro an. Woher die stammen, ist unbekannt.
Die großen Händler, die von Sony direkt beliefert werden, stehen unterdessen vor dem Problem den Ansturm zu bewältigen. Der Versandhändler Otto gehört zu den Plattformen, die immer wieder eine Lieferung der begehrten Ware bekommen. »Einen solchen Konsolenverkauf haben wir noch nicht erlebt – selbst ein neues iPhone kann da nicht mithalten«, erklärt Otto-Sprecher Frank Surholt im Gespräch mit dem SPIEGEL.
Für den Händler ein kniffliges Problem: Denn die vielen Interessenten überlasten auch die leistungsfähigsten Server. Als Otto mit dem Verkauf der Playstation 5 anfing, gab der Händler die Verkaufstermine im Voraus bekannt. »Folge war, dass der Shop regelmäßig lahmgelegt wurde«, sagt Surholt. Für Online-Händler, die auch Zehntausende anderer Artikel verkaufen wollen, ist das ein unhaltbarer Zustand. Deshalb sind nach und nach alle Händler dazu übergegangen, neue Lieferungen ohne jede Ankündigung online zu stellen.
Keine Garantie, aber Muster
»Sobald die ersten Kunden merken, dass es wieder Playstation 5 zu kaufen gibt, verbreitet sich das wie ein Lauffeuer«, sagt Surholt. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Jede Lieferung ist nach wenigen Minuten ausverkauft. Wenn ein Händler nacheinander mehrere Tranchen mit verschiedenen Bundles online stellt, kann es auch ein bis zwei Stunden dauern. Wenigstens werden die Server dabei nicht überlastet.
Ein Grund für die rasante Verbreitung der Informationen für Verkaufsaktionen ist Petra Fröhlich, Chefredakteurin von »GamesWirtschaft«. Eigentlich widmet sie sich Branchennachrichten für Leute, die mit Spielen ihr Geld verdienen. Die ständigen plötzlichen »Drops« schufen jedoch einen Infobedarf, den das Portal nun mit einem Playstation-Ticker und einem XBox-Ticker auf Twitter bedient. Ankündigungen neuer Aktionen gibt es auch hier nicht: Wer einen Tweet von Fröhlich sieht, muss sofort zuschlagen oder bis zur nächsten Verkaufsaktion warten. »Man erwartet eigentlich, dass es nach fast einem Jahr rund läuft – aber selbst große Händler haben immer noch Probleme, die Bestellungen abzuwickeln«, sagt Fröhlich. »Besonders frustrierend ist es natürlich, wenn man nach einer scheinbar erfolgreichen Bestellung eine E-Mail mit einer Stornierung bekommt.«
Auch Fröhlich wird oft von den Verkaufsaktionen überrascht, hat aber gewisse Muster festgestellt. So sei es relativ sinnlos, am Nachmittag bei Amazon vorbeizuschauen, da die Verkaufsaktionen meist am Morgen stattfinden. Wer dann bei der Arbeit ist, hat Pech. Immer wieder hätten jedoch Kunden Glück gehabt, wenn sie auf Verdacht bei einem Geschäft nachgefragt hätten. Manchmal stünden noch einzelne Exemplare im Lager – oder die Filiale führt eine Warteliste. Dass sich die Lage vor Weihnachten normalisiert und man die Konsolen ganz normal kaufen kann, erwartet die Journalistin nicht: »Ich gehe davon aus, dass wir diese Drops noch mindestens bis Jahresende erleben.«
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