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4700S Desktop Kit im Test: AMDs Playstation-5-Platine ist eine vertane Chance - Golem.de - Golem.de

Mit dem 4700S Desktop Kit bietet AMD höchstselbst die Hardware der Playstation 5 für den PC an. Das Board ist aber eine Sache für sich.

Ein Test von
Der Chip von AMDs 4700S Desktop Kit
Der Chip von AMDs 4700S Desktop Kit (Bild: Marc Sauter/Golem.de)

Seit sich Microsoft und Sony beide für AMD als Technik-Partner für ihre Xbox- respektive Playstation-Systeme entschieden haben, gibt es alle paar Jahre das zu kaufen, was noch vor einer Dekade undenkbar war: Konsolen-Hardware für den heimischen PC.

Mit dem Funhouse A9-9820 hatten wir zuletzt den Chip einer Xbox One im Testlabor, mit dem AMD 4700S Desktop Kit existiert schon knapp ein Jahr nach deren Launch eine Platine mit dem Chip der Playstation 5 im freien Handel. Was sich erstmal toll anhört, entpuppt sich bei näherem Hinsehen aber als vertane Chance.

Beim 4700S Desktop Kit handelt es sich um ein von AMD selbst entwickeltes Mainboard, intern Cardinal genannt. Die Mini-ITX-Platine kommt im klassischen OEM-Grün daher, so wie es in Komplett-PCs oft der Fall ist. Aufwendige Kühlkonstruktionen glänzen durch Abwesenheit, die einfach gehaltene Spannungsversorgung (VRMs) etwa wird rein durch eine indirekte Belüftung auf Temperatur gehalten.

Mehr Office-Platine als Playstation 5

Das Brett ist von der Ausstattung her ziemlich weit am unteren Ende der Fahnenstange angesiedelt: Neben Audio und Gigabit-Ethernet finden sich noch vier USB 2.0, drei USB-A 3.2 Gen1 und ein USB-A 3.2 Gen2. Hinzu kommen ein USB-3.2-Gen1-Front-Header und nur zwei Sata-6-GBit/s-Buchsen für HDDs/SSDs, ein Bluetooth/WiFi-Modul oder eine Nachrüstmöglichkeit dafür fehlen; das BIOS ist äußerst spartanisch.

  • AMD 4700S Desktop Kit (Bild: Golem.de)
AMD 4700S Desktop Kit (Bild: Golem.de)

Als Sony die Playstation 5 entwickelt hat, hatten die Japaner vermutlich nicht im Hinterkopf, dass deren Oberon-Chip irgendwann auf einer Desktop-Platine landen würde. Aus diesem Grund wird das SoC noch mit einem Chipsatz (FCH, Fusion Controller Hub) kombiniert: Der A77E alias Bolton stammt noch aus Zeiten des Sockel FM2+ für die Kaveri-APUs.

PEG-Slot nur mit Gen2 x4 und kein M.2

Genau dieser A77E statt des 4700S liefert das Interface für den PEG-x16-Slot, allerdings mit aus heutiger Sicht extrem langsamem PCIe Gen2 x4 (theoretisch 2 GByte/s). Zum Vergleich: Ein Ryzen 7 3700X nutzt PCIe Gen4 x16 (32 GByte/s), also mal eben Faktor 16. Gemessen haben wir übrigens 1,35 GByte/s beim 4700S und 23 GByte/s beim Ryzen 7 3700X, jeweils mit einer Radeon RX 6900 XT.

Stellt sich die Frage, warum der 4700S überhaupt einen PEG-Slot aufweist. Eigentlich integriert Sonys Oberon-SoC der Playstation 5 eine schnelle RDNA2-Grafikeinheit, die abseits des PC-exklusiven Infinity Cache grob einer Radeon RX 6700 XT entspricht. Jedoch hat AMD die iGPU beim 4700S deaktiviert - sei es schlicht wegen Defekten (Stichwort Chipausbeute) oder um der Playstation 5 weniger Konkurrenz zu machen.

Wohl deswegen fehlt dem 4700S Desktop Kit auch der M.2-Steckplatz mit PCIe Gen4 x4, den die Sony-Konsole zusätzlich zur verlöteten SSD zum Erweitern des Speichers aufweist. Um das Mainboard nutzen zu können, braucht es also eine dedizierte Grafikkarte.

Folgerichtig wird die Platine mit einer Singleslot-OEM-Variante der Radeon RX 550 ausgeliefert, einem auf Polaris basierenden Modell von 2017. AMD sagt, maximal wird eine Geforce GTX 1060 oder eine Radeon RX 590 unterstützt - wir konnten jedoch auch mit einer Geforce RTX 3080 Ti und einer Radeon RX 6900 XT booten.

Eine weitere Besonderheit stellt der RAM dar, denn Steckplätze für Arbeitsspeicher fehlen. Stattdessen verbergen sich auf der Rückseite der Platine unter der metallenen Backplate sechs verlötete GDDR6-Bausteine, die 16 GByte Kapazität aufweisen (wie bei der PS5). Sie laufen mit einer Geschwindigkeit von 14 GBit/s, weshalb der 4700S aufgrund des 256-Bit-Interfaces theoretisch auf eine Transferrate von 448 GByte/s zugreifen kann.

Langsamer GDDR5 und reduzierter CPU-Takt

Unsere Messungen zeigen jedoch, dass im besten Fall nur 90 GByte/s davon ankommen - immerhin knapp das Doppelte dessen, was ein Ryzen 7 3700X mit DDR4-3200 an 128 Bit erreicht. Auffällig ist zudem, dass die RAM-Latenz bei sehr hohen 144 ns anstatt bei etwa 80 bis 90 ns liegt. Die Kombination aus der viel niedriger als gedachten Bandbreite und der wenig berauschenden Zugriffszeit schmälert die Performance, dazu gleich mehr.

Sonys Oberon-SoC nutzt acht Zen-2-Kerne mit 8 MByte L3-Cache (der normale Werte erreicht), womit der Chip einem Ryzen 7 4750G alias Renoir entspricht. Ein Ryzen 7 3700X hat ebenfalls acht Zen-2-Kerne, ist jedoch mit 32 MByte L3-Cache versehen. Der Basistakt der drei Modelle liegt bei 3,6 GHz - der 4700S kann bis auf 4 GHz boosten, die beiden Ryzen wiederum erreichen bis zu 4,4 GHz.

  • AMD 4700S Desktop Kit, Asus X570, 16 GByte RAM, RX 6900 XT, Win10 v21H1 (Bild: Golem.de)
AMD 4700S Desktop Kit, Asus X570, 16 GByte RAM, RX 6900 XT, Win10 v21H1 (Bild: Golem.de)
Codename Kerne Takt L3-Cache iGPU Speicher TDP
AMD 4700S Oberon 8C/16T 3,6 GHz bis 4,0 GHz 8 MByte deaktiviert "GDDR6-14000" 65 Watt*
Ryzen 7 4750G Renoir 8C/16T 3,6 GHz bis 4,4 GHz 8 MByte Vega8 DDR4-3200 65 Watt
Ryzen 7 3700X Matisse 8C/16T 3,6 GHz bis 4,4 GHz 32 MByte keine DDR4-3200 65 Watt
Spezifikationen von AMDs 4700S *geschätzt

Für die Benchmarks bedeutet das dreierlei: In Anwendungen, die sich weder um die Speicherlatenz noch die Transferrate scheren und primär mit Takt skalieren (wie Blender oder Cinebench), schneidet der 4700S bereits schlechter ab als der Ryzen 7 4750G. Ist obendrein die RAM-Zugriffszeit gefragt (etwa bei 7-Zip oder Microsoft Office 365), fällt der Chip der Playstation 5 teils drastisch zurück.

Zum Zocken taugt der 4700S wenig

Allerdings konnten wir zwei Szenarien ausmachen, die dem 4700S entgegenkommen: Die Simulation von Neuronen und Synapsen via Digicortex nutzt die hohe Bandbreite aus, sie sieht den 4700S vor dem Ryzen 4750G und sogar vor dem Ryzen 7 3700X. Das Berechnen der Zahl Pi im Arbeitsspeicher (In-Memory-Computing) per y-Cruncher erledigt der 4700S zumindest flotter als der 4750G; der 3700X liegt dank 32 MByte L3 dennoch vorne. So spannend diese Werte auch sind - beide Apps haben im Alltag der meisten Menschen keinerlei Relevanz.

Gaming hingegen ist ziemlich populär und dafür wurde der 4700S laut AMD nicht ausgelegt, was angesichts von PCIe Gen2 x4 für die Grafikkarte wenig überrascht. Gerade bei Spielen mit hohen Framerates, wo die Kommunikation zwischen Pixelbeschleuniger und Prozessor besonders wichtig ist, schneidet das Desktop Kit trotz durchaus guter CPU-Leistung schlecht ab. Nicht umsonst wird die Platine mit einer lahmen Radeon RX 550 ausgeliefert und AMD empfiehlt maximal Grafikkarten von vor fünf Jahren.

Auch bei der Leistungsaufnahme ist wenig Positives zu vermelden: Im Leerlauf mit einer Radeon RX 6900 XT messen wir satte 67 Watt, die Karte selbst macht davon nur 7 Watt aus. Unter Last mit Blender sind es 129 Watt, was ein idle/load-Delta von 62 Watt ergibt. Der Lüfter auf dem simplen Aluminium-Kühler muss mit enorm lauten 3.500 bis über 4.000 rpm drehen, um die APU auf knapp 90 Grad (Tdie) zu halten.

AMD selbst nennt für das 4700S Desktop Kit keinen Preis und bietet es auch nicht an, aber es wird über einige wenige Händler verkauft. Unser Muster inklusive einer dedizierten Radeon RX 550 stammte von PC-King für 384 Euro, der Shop führt die Platine allerdings nicht mehr. Bei Proshop ist das Kit jedoch derzeit für ebenfalls knapp 400 Euro verfügbar.

Fazit

Die Faszination, eigentlich nur für Konsolen gedachte Hardware für den heimischen PC einzusetzen, hat uns mit Begeisterung an den Test des 4700S Desktop Kit herangehen lassen. Die Resultate hingegen sind ernüchternd, wenngleich wir schon vorab in etwa einschätzen konnten, wie sie ausfallen würden.

So handelt es sich bei der Platine zwar sogar um eine Eigenentwicklung von AMD selbst und der verbaute Chip entspricht tatsächlich dem Oberon-SoC einer Playstation 5. Die vorgenommenen Einschnitte sind aber ziemlich radikal, was die Ausstattung und die Performance des 4700S Desktop Kit auf ein ziemlich schwaches Niveau drückt.

Besonders schade finden wir, dass sich AMD und Sony dazu entschieden haben, die integrierte RDNA2-Grafikeinheit zu deaktivieren. Die wäre ansonsten grob mit einer Radeon RX 6700 XT vergleichbar, deren (aktuell rein theoretischer) UVP mit 480 Euro schon weit über dem liegt, was das 4700S Desktop Kit kostet. Zumindest ein paar aktive Shader-Einheiten, sagen wir vier Compute Units, wären nett gewesen.

Hinzu kommt, dass das Board keinen M.2-Steckplatz aufweist, das Oberon-SoC bei der Playstation 5 aber sehr wohl ein PCIe-Gen4-x4-Interface für eine nachrüstbare NVMe-SSD aufweist. Stattdessen gibt es nur zwei magere Sata-Anschlüsse, dafür jedoch immerhin acht USB-Ports, einer davon gar mit schnellem USB 3.2 Gen2 (10 GBit/s). Weil die iGPU fehlt, muss zwingend eine dedizierte Grafikkarte verbaut werden - die allerdings mit PCIe Gen2 x4 extrem langsam angebunden ist.

Infolgedessen schneidet das 4700S Desktop Kit in Spielen schlecht ab, weil jedwede Pixelbeschleuniger massiv ausgebremst werden - und die wenigen, bei denen das nicht passiert, sind von sich aus schnarchlahm. Wären da noch die acht Kerne des 4700S selbst, die dank Zen-2-Technik und unterstützt von 16 GByte GDDR6-Speicher (trotz hoher Latenzen) eine mehr als anständige Performance für alltägliche Aufgaben abliefern. Übrigens: Windows 11 läuft auf dem System.

Unterm Strich bleibt also ein faszinierendes Stück Technik, das weit hinter seinen Möglichkeiten bleibt - von AMD durchaus gewollt, versteht sich. Für seinen Preis ist das 4700S Desktop Kit dennoch einen Blick wert, weil ein Ryzen 7 3700X samt Grafikkarte oder ein Ryzen 7 4750G mit iGPU plus einem AM4-Board und 16 GByte RAM für unter 400 Euro nicht zu kriegen sind. Einzig der sehr laute Lüfter sollte durch ein leiseres 92-mm-Modell ersetzt werden.

Danksagung: Wir möchten uns an dieser Stelle bei Hardwareluxx bedanken, die uns AMDs 4700S Desktop Kit leihweise für einen Test zur Verfügung gestellt haben.

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