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Call of Duty Vanguard im Test: Hau den Nazi - Golem.de - Golem.de

Nach dem exzellenten Modern Warfare von 2019 kehrt Call of Duty zu seinen Wurzeln zurück - und wird wieder zur Ballerbude ohne Anspruch.

Ein Test von
Arthur Kingsley führt die bunt zusammengewürfelte Einsatztruppe in CoD Vanguard an.
Arthur Kingsley führt die bunt zusammengewürfelte Einsatztruppe in CoD Vanguard an. (Bild: Sledgehammer Games/Screenshot: Golem.de)

Wir würden denken, dass zum Thema Call of Duty und Zweiter Weltkrieg bereits alles gesagt ist. Trotzdem versucht es Entwickler Sledgehammer Games noch einmal mit dem bekannten Setting. Innerhalb der Einzelspielerkampagne gibt es dieses Mal tatsächlich einen Twist: Als Teil eines Teams zusammengewürfelter alliierter Söldner sind wir nicht nur divers aufgestellt, sondern auch besonders gut in unserem Job, den Nazis das Leben schwer zu machen.

Während die Kampagne einmal mehr eine teils spannend erzählte und unterhaltsame Ballerbude ist, wird der Shooter im Mehrspieler zu einer nervtötenden Frag-Jagd bar jeden Anspruchs. Dabei hatte Call of Duty Modern Warfare 2019 gezeigt, dass das auch anders geht. Schade, denn Hau den Lukas, oder passender: Hau den Nazi, können wir auch auf der Kirmes für 5 statt 60 Euro spielen.

Kampagne macht Spaß, trotz dummer KI

Starten wir aber mit dem Positiven. Die Prämisse der Kampagne ist interessant: Call of Duty Vanguard erzählt die Geschichte gleich mehrerer Protagonisten an vielen Schauplätzen des Zweiten Weltkriegs. So sind wir einmal als kletteraffine Scharfschützin Polina im herbstlich idyllischen Stalingrad kurz vor dem Angriff der Wehrmacht im Jahr 1942 unterwegs, ein anderes Mal hetzen wir als aufbrausender Australier Lucas britischen Panzern in der Wüstenschlacht von El Alamein hinterher - in der Hand ein schweres MG und im Mund einen weiteren schlechten Oneliner.

Der Stumpfsinn darf natürlich nicht fehlen, wie in jedem CoD-Titel zuvor. In einigen Missionen müssen wir mit einem MG-42 und 100 Schuss in der Trommel nur haufenweise dumme KI-Gegner nierdermähen. Die sind übrigens hier besonders dämlich, stehen auf dem offenen Feld herum oder bemerken uns nicht einmal, wenn wir an ihnen vorbeilaufen. Wir fühlen uns wieder an den Kirmesstand und Hau den Lukas erinnert, wenn wir mit einem Kar98k reihenweise auftauchende Helme abschießen.

Die Spielzeit ist dafür relativ abwechslungsreich eingeteilt, auf anspruchslose Ballerpassagen folgen etwa Schleichmissionen. In einer Mission müssen wir uns beispielsweise vor den Japanern verstecken und unsere Ziele mit Bedacht wählen. Dem Fliegerass Wade steht dafür, wie jedem anderen Protagonisten im Spiel, eine Spezialfähigkeit zur Verfügung. Aufgrund der kurzen Kampagnendauer hätte man sich die aber auch sparen können.

Zu Land und in der Luft

Besonders cool fanden wir die Luftschlacht um Midway, in der wir nach dem historischen Vorbild im Sturzkampfbomber japanische Flugzeugträger attackieren. Im typischen Call-of-Duty-Stil hat die fiktive Schlacht von Midway aber sonst nicht viel mit dem historischen Kampf gemein. Wir, als fast unbesiegbare Halbgötter, schießen in unserem Flieger haufenweise Zeros ab und begeben uns anschließend in Formation auf Schiffsjagd.

Die Steuerung ist dabei nicht unbedingt intuitiv. Spaß macht es aber allemal, wenn wir aus den Wolken auf einen der japanischen Träger herabstürzen, uns Flakfeuer entgegenfliegt und wir unser Ziel in Luft auflösen.

  • Call of Duty: Vanguard (Bild: Sledgehammer Games/Screenshot: Golem.de)
Call of Duty: Vanguard (Bild: Sledgehammer Games/Screenshot: Golem.de)

Das gilt übrigens auch für die sehr schön gemachten Rendersequenzen, in denen wir von einem geheimen Projekt Phönix und einem besonders fiesen Nazikommandanten erfahren. Die Sequenzen nehmen einen guten Teil der leider nur fünf bis sechs Stunden langen Kampagne ein. Sie ist zumindest eine spaßige Abendunterhaltung.

Bei den teils skurrilen Gegnern, dem überzeichneten Bösewicht und der für den Zweiten Weltkrieg doch sehr ungewöhnlichen Waffenauswahl mit Trommelmagazinen, Rotpunktvisieren und Spezialmunitionstypen hätte Call of Duty Vanguard auch gerne noch abstruser sein können. Warum nicht eine Art Pseudo-Weltkrieg erfinden, so wie es Spiele wie Wolfenstein bereits exzellent getan haben?

Dagegen leidet die eigentlich bedrückende Atmosphäre des Zweiten Weltkriegs in Call of Duty Vanguard unter einigen unpassenden Elementen - einschließlich (nicht gerade origineller) Nazi-Supersoldaten, die viele Treffer einstecken und mit Rauchgranaten werfen. Der Krieg wird weder ernst repräsentiert noch komplett ad absurdum geführt. Wir haben daher das Gefühl: Call of Duty Vanguard weiß nicht so recht, was es aussagen will.

Besonders deutlich wird das im scheußlichen Multiplayer-Modus, dem wir gar nichts abgewinnen können.

Call of Duty Modern Warfare war das erste Call of Duty seit langem, das wir auch länger im Multiplayer-Modus spielen wollten. Das exzellente Waffenhandling, Rückschlagmanagement, das diverse Waffenbalancing, relativ ausgeglichene Maps mit weitläufigen und engen Passagen und das exzellente Sounddesign waren allesamt Gründe für ein immersives Gameplay. Zudem ist die Spielgeschwindigkeit dort langsam genug, um taktisches Denken wichtig zu machen, auf Schritte und Umgebung zu achten und trotzdem nicht zu sehr wie das typischerweise langsamere Battlefield zu werden.

Nehmen wir all diese tollen Dinge, stecken sie in einen Sack und werfen sie in den pazifischen Ozean zu den versenkten Flugzeugträgern, dann erhalten wir den Mehrspielermodus von Call of Duty Vanguard. Hier rennen Teams wie aufgescheuchte Tiere hin und her, ballern im Dauerfeuer auf viel zu kleinen Maps herum, sterben rasant, spawnen nach zwei Sekunden und wiederholen das Ganze.

Schießen und Respawn

Diese kurzweiligen Gefechte degradieren unseren Anspruch auf ein Minimum. Statt eines interessanten Teamplays oder taktischen Modi wie Cyber Attack gibt es in den meisten Modi nur: zum Ziel hinrennen und schießen, bis das Magazin leer ist. Es gibt zwar einen Search-and-Destroy-Modus in Call of Duty Vanguard, der Cyber Attack am nächsten kommt. Durch das schnelle Gameplay ist der aber ebenfalls eher eine Killjagd - nur ohne Respawn.

Das gilt auch für bekannte Modi wie Team Deathmatch und Hardpoint - eine Art Mini-Conquest, bei der wir Flaggenpunkte einnehmen - sowie für den an sich interessanten Modus Patrouille. Dort muss jedes Team jeweils in einer sich bewegenden Zone verharren, um Punkte zu erhalten. Die Karten bieten allerdings oftmals viel zu viele Angriffsvektoren, sodass wir nach wenigen Sekunden den virtuellen Löffel abgeben.

  • Call of Duty: Vanguard (Bild: Sledgehammer Games/Screenshot: Golem.de)
Call of Duty: Vanguard (Bild: Sledgehammer Games/Screenshot: Golem.de)

Die generelle Spielerschaft macht es nicht besser. Die meisten CoD-Fans spielen eben weiterhin nur auf möglichst viele Kills und nicht für das eigentliche Ziel. So laufen Gefechte oft einfach nur darauf hinaus, dass sich beide Teams gegenseitig im Kreis über die kleinen Karten jagen.

Sound in CoD Vanguard nicht mehr gut

Die vielen verschiedenen aus dem Szenario des Zweiten Weltkriegs bekannten Waffen wie Sturmgewehr 44, Kar98k, MP44, Thompson-MP, Sten Gun und Co. klingen wieder wie etwas lautere Nerfguns - viel zu leise und ohne nennenswerten Bassdruck. Zudem sehen sie durch die vielen modernen Visiere, Skins und Aufkleber nicht mehr aus wie Waffen aus der Zeit.

Die sehr kleinen und verwinkelten Maps zwingen uns in den meisten Fällen dazu, auf Maschinenpistolen oder andere automatische Waffen zu setzen, was das nervtötende und anspruchslose Run-and-Gun-Gameplay noch einmal verstärkt.

  • Call of Duty: Vanguard (Bild: Sledgehammer Games/Screenshot: Golem.de)
Call of Duty: Vanguard (Bild: Sledgehammer Games/Screenshot: Golem.de)

Wollen wir wie in Call of Duty 1 und 2 auch mal mit semiautomatischen Waffen wie dem M1 Garand oder dem Repetiergewehr Lee-Enfield spielen, sind wir hier im falschen Spiel. Dafür sind Laufanimationen und die Time-To-Kill viel zu niedrig.

Map-Design ist schön, aber zu klein

Das ist sehr schade, hat sich das Entwicklerstudio doch wenigstens bei der Optik Mühe gegeben. Egal ob in einem französischen Dorf oder auf dem japanischen Anwesen: Call of Duty Vanguard sieht, für CoD-Verhältnisse, gut aus. Das gilt übrigens nicht nur für die Multiplayer-Maps, sondern auch für die Kampagnen-Schauorte.

Am aus anderen CoD-Teilen bekannten Killstreak-System merken wir, wie wenig Zeit die Entwickler sich teilweise für das neue Spiel genommen haben. Spionagedrohnen werden kurzerhand in Spionageflugzeuge umgewidmet und Bombenangriffe kommen weiterhin präzise und punktgenau, als würden sie von Lasersystemen gelenkt werden. Gegner auf einem Radar sehen? Das will für uns so gar nicht ins Weltkriegssetting passen.

  • Call of Duty: Vanguard (Bild: Sledgehammer Games/Screenshot: Golem.de)
Call of Duty: Vanguard (Bild: Sledgehammer Games/Screenshot: Golem.de)

Regelrecht penetrant wird es, wenn wir uns nach jedem nur wenige Minuten langen Match die MVP-Highlights und Plays of the Game anschauen müssen. In fast allen Fällen sehen wir hier eine Figur, die im Dauerfeuer eine andere Figur von hinten abschießt. Dass die Animationen und Highlights die Community nicht interessieren, merken wir auch daran, dass ein Großteil der Mitspieler einfach die voreingestellten Emotes verwendet. Besonders abstrus wird es dann, wenn dreimal hintereinander die gleiche Animation gezeigt wird.

Andere CoDs sind einfach besser

Wahrscheinlich sind wir einfach nicht die Zielgruppe für Call of Duty Vanguard. Es eignet sich wohl eher für Menschen, die ein schnelles Match im Feierabend oder nach der Schule bestreiten wollen und dazu noch haufenweise Waffen und Aufsätze freischalten. Das Progression-System ist nämlich wieder recht motivierend und verschiedene Waffenmods wirken sich auch spürbar auf das Verhalten unserer Waffen aus.

Allerdings haben wir das alles bereits in Call of Duty Modern Warfare oder zuletzt dem schon schlechter gewordenen Call of Duty Black Ops Cold War gesehen. Wie praktisch also, dass wir aus dem Hauptmenü heraus auch einfach diese beiden Spiele starten können - sofern wir sie schon besitzen.

Das neue Call of Duty kann bereits für diverse Plattformen bestellt werden. Auf dem PC wird das Spiel über Battle.net vertrieben. Eine permanente Internetverbindung ist zum Spiel erforderlich, was ärgerlich und bekannt gleichermaßen ist. Alternativ gibt es den Titel auch für Playstation 4, Playstation 5, Xbox One und Xbox Series X/S. Er kostet 60 Euro für den PC und 70 Euro für Konsolen.

Das Game ist neben dem englischsprachigen Original auch voll vertont auf Deutsch und einigen anderen Sprachen spielbar. In der Originalversion werden Nazibösewichte teils nicht von Muttersprachlern vertont, was zu amüsanten Akzenten und schlechter deutscher Aussprache führt. Trotzdem ist die Vertonung gelungen.

Fazit

Call of Duty Vanguard geht leider wieder den Weg des geringsten Widerstands. Warum auch mehr Zeit und Mühe investieren, wenn sich das Spiel jedes Jahr aufs Neue sehr gut verkauft. Wir fragen uns in diesem Fall aber: Warum eigentlich?

Die Kampagne ist definitiv ein besserer Part im Spiel. Es gibt einige eher unverbrauchte Schauplätze zu sehen und die Elitetruppe aus zusammengewürfelten Helden wirkt interessant. Gleichzeitig sind die Nazis schön überzeichnet und zugleich elendig dumm.

  • Call of Duty: Vanguard (Bild: Sledgehammer Games/Screenshot: Golem.de)
Call of Duty: Vanguard (Bild: Sledgehammer Games/Screenshot: Golem.de)

Das gilt vor allem für die NPC-Feinde, die uns in Call-of-Duty-Manier zu Hunderten auf den Hals gehetzt werden. Eine Herausforderung sind sie trotzdem nicht, da sie teilweise nicht einmal Deckung richtig benutzen.

Für Bombast-Action und ein paar tolle Renderszenen ist die Kampagne dennoch gut geeignet. Mit fünf bis sechs Stunden ist sie aber genauso schnell vorbei.

Weiter geht es dann im Mehrspielermodus. Der ist wieder viel hektischer, schneller und chaotischer - ein klarer Kontrast zu dem für uns exzellenten Multiplayer in Call of Duty Modern Warfare (2019). Auf den zwar schön gestalteten, teilweise zerstörbaren, aber viel zu kleinen Karten hetzen wir in maximal 12-gegen-12-Teams Kills hinterher.

  • Call of Duty: Vanguard (Bild: Sledgehammer Games/Screenshot: Golem.de)
Call of Duty: Vanguard (Bild: Sledgehammer Games/Screenshot: Golem.de)

Durch das rasante Gameplay verwenden fast alle Spieler in Vanguard die immer gleichen Waffen - nämlich jene, die möglichst schnell möglichst viele Patronen ins Ziel schießen. Repetiergewehre und Kampfgewehre wie das M1 Garand sind absolut überflüssig.

So verkommt nahezu jedes Match im neuen Call of Duty zu einer Ballerbude ohne Anspruch. Und selbst die haben andere Serienteile schon besser umgesetzt.

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