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Zehn Tonnen gerettetes Obst und Gemüse - am Tag - NDR.de

Stand: 24.03.2022 20:31 Uhr

Anne und Julian Schrage aus Auhagen im Schaumburger Land "retten" jeden Donnerstag Obst und Gemüse vor dem Müll - und geben die Lebensmittel aus der Verteilstation in ihrer Garage weiter.

von Christina Harland

Vor vier Monaten ging es los. Anne hatte von einer Freundin aus Nordrhein-Westfalen von der Initiative "Obst verbindet" gehört. Das junge Start-Up aus Bielefeld rettet Obst und Gemüse, das es nicht in den Handel geschafft hat. Jetzt gehören sie und ihr Mann selbst zu dem Netzwerk – als eine der ersten Verteilstationen in Niedersachsen. Jeden Donnerstag bekommen sie Ware aus Bielefeld und verteilen die Kisten auf ihrem Hof. Vier Dutzend Kunden bestellen inzwischen regelmäßig.

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Lebensmittel, die sonst im Müll landen

"Es macht uns einfach viel Freude. Wenn man sieht, was für Lebensmittel normalerweise im Müll landen würden, die völlig in Ordnung sind, das ist für uns einfach der Wahnsinn, und da sind wir auch gerne dabei, wenn es darum geht, die zu retten und tragen das auch raus, in die Welt", sagt Julian Schrage. Jeden Tag werden gewaltige Mengen Obst und Gemüse entsorgt, weil sie nicht den Erwartungen des Handels entsprechen. Zu klein, zu krumm, zu reif, das sind häufig die Gründe. Manchmal haben die großen Lebensmittelmärkte auch kurzfristig ihr Sortiment geändert oder der Lieferant steckte im Stau und konnte nicht pünktlich liefern.

Zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel landen im Müll

Deutschlandweit landen deshalb jedes Jahr rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Für Niedersachsen dürfte das anteilsmäßig mindestens eine Million Tonnen im Jahr sein. Genaue Zahlen kann das Niedersächsische Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft nicht nennen. Aber Ministerin Barbara Otte-Kinast gefällt die Initiative: "'Obst verbindet' (…) ist für mich ein weiteres sehr gutes Beispiel für ein (…) Projekt zum Thema Lebensmittelwertschätzung. Es zeigt, wie Obst und Gemüse vor der Vernichtung 'gerettet' werden kann. Denn fest steht: Jedes weggeworfene Lebensmittel ist eines zu viel!" Deutschland hat sich übrigens dem UN-Ziel verpflichtet, die "Lebensmittelverluste" bis 2030 zu halbieren.

Lösungen für eine Branche unter Druck

Hinter "Obst verbindet" steht Erhan Berse. Der 43-jährige Groß- und Außenhandelskaufmann hat jahrzehntelange Erfahrung in der Branche. Er hat für Handelsketten gearbeitet und auf dem Großmarkt. Viele Jahre hat er beobachtet, wie gute Lebensmittel im großen Stil vernichtet wurden. Er wollte gegensteuern: "Das war die eigentliche Idee, dass man bewusster mit Lebensmitteln umgeht." Bei verderblicher Ware muss schnell gehandelt werden. In der Branche kennt man sich, das ist sein Vorteil. Und die Flexibilität, die dem Handel fehlt, ist seine Kernkompetenz.

Zeitdruck in der Branche

Nun löst er mit seiner Initiative einen Teil der Probleme der Branche, die unter Zeitdruck und unter hohem Qualitätsanspruch steht. Inzwischen melden sich täglich Erzeuger und Händler und bieten an, was nicht den Weg in den Handel schafft. Vom Landwirt bis zum Spediteur fahren sie ihm die Ware vor seine Halle. Er reagiert schnell und flexibel und bekommt das Obst und Gemüse dafür günstiger.

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Keine Konkurrenz zu den Tafeln

Berse zeigt auf eine Ladung Mandarinen, die gerade angekommen ist und erklärt: "Wir werden uns jetzt jede Kiste genau anschauen, jedes Netz, und wenn da mal eine schlechte drin ist, nehmen wir die, machen das Netz auf, nehmen die schlechten raus und packen den Rest in unsere Mixkisten und geben das dann zu fairen Preisen ab." Immer wieder wird Berse gefragt, ob die Ware nicht bei den Tafeln besser aufgehoben sei. Dann erklärt er, dass diese die gewaltigen Mengen gar nicht bewältigen könnten. Das Obst und Gemüse müsse ja nicht nur angenommen und verteilt, sondern auch sorgfältig in Augenschein genommen und sortiert werden.

Jeden Tag zehn Tonnen Obst und Gemüse

Berse hat vergangenen Sommer mit drei Leuten begonnen, jetzt sind es rund 30 Mitarbeiter, die hier täglich Obst und Gemüse sortieren, das es nicht in den Handel geschafft hat. Jeden Tag rettet seine kleine Firma rund zehn Tonnen Obst und Gemüse, verschickt auf Wunsch auch gegen Gebühr Retterkisten in alle Regionen Deutschlands. Im Angebot: Familienkisten, Singlekisten, Kita-Kisten, Biokisten und Futterkisten. Zum Preis von vier bis 16 Euro. Die Kunden sparen in der Regel ein Drittel bis die Hälfte des Normalpreises. "Obst verbindet" hat inzwischen mehr als 100 Verteilstationen. Der Schwerpunkt liegt in Nordrhein-Westfalen, in Niedersachsen beteiligen sich 21 Stationen.

Viel Engagement für mehr Nachhaltigkeit

Für Anne und Julian Schrage ging es ursprünglich darum, die eigene Familie, Freunde und Bekannte günstig und nachhaltig mit Obst und Gemüse zu versorgen. Inzwischen ist aus ihrer Verteilstation ein kleiner Nebenerwerb geworden. Aber dafür müssen sie auch allerhand organisieren. Angebote und Fotos der Retterkisten aus der Vorwoche verschicken, Wünsche aufnehmen, Nachfragen beantworten, Bestellungen sortieren, verkaufen. Allerhand Aufwand für rund 75 Euro Gewinn pro Donnerstag, an dem die Kisten abgeholt werden. Gerade mal 11 Prozent pro verkaufter Kiste bekommen die Schrages. Aber die Freude an ihrem Netzwerk und die Nachhaltigkeit der Idee stehen für sie im Vordergrund. Jetzt hoffen sie auf Nachahmer in Niedersachsen – und, dass mehr Menschen einen Blick für den wahren Wert von Lebensmitteln entwickeln.

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