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Gratis Obst - wie ihr kostenlos pflücken und sammeln könnt! - Good News Magazin

Der Good News Thought im Oktober steht ganz im Zeichen der Erntezeit. Unsere Redakteurin Mara berichtet, wie sie selbst Erinnerungen beim gemeinsamen Sammeln schuf und welche Projekte ein gratis “Einkaufen” in der Natur unterstützen.

Der Herbst ist da und mit ihm kommt die Zeit des Erntedanks. Äpfel pflücken, Pilze sammeln und Nüsse knacken – Deutschland hält vieles bereit, wenn man mit offenen Augen durch die Nachbarschaft geht. Das “Einkaufen” in der Natur ist kostenlos, spaßig und dabei noch sehr viel nachhaltiger als das Kaufen von makellosen Übersee-Obst. Mara hat für euch zwei Projekte genauer betrachtet, welche die Obstsuche im eigenen Landkreis um ein Vielfaches vereinfachen und erinnert sich an die Pilzsuche und den Holunderblütensirup ihrer Kindheit zurück.

Kindheitserinnerungen, die mich bis heute mit einem Gefühl von Geborgenheit erfüllen, sind meist mit Essen verbunden. Sei es das Kastanienessen im Herbst, die selbstgemachte Brombeermarmelade von Mama, Mirabellen im Garten von Oma oder frischer Holunderblütensirup im Frühjahr – alles verbindet eines: Wir haben die Zutaten als Familie gesammelt und dann selbst zubereitet.

Ernte Äpfel Pexels
Eigene Ernte macht glücklich und ist regional. Bild: pexels

Regional zu kochen ist also nicht nur nachhaltiger, sondern schafft auch wertvolle Erinnerungen. Bis heute freue ich mich jeden Frühherbst riesig auf die Pilzsuche im Wald und noch mehr auf die Pilzpfanne am Abend. Ich verbinde die Suche mit wertvollen Erinnerungen aus meiner Kindheit und zeige meinen Freunden heute begeistert, woran essbare Pilze erkannt werden können. Pfifferlinge, Steinpilze und Maronen sind wahre Schätze in den deutschen Wäldern, doch werden sie aufgrund fehlenden Wissens kaum noch von Leuten gesammelt. Dabei ist das Gefühl, in die Natur zu gehen und mit Lebensmitteln zurückzukehren, ein so Bereicherndes.

Die Wertschätzung gegenüber eigenen oder selbst gesammelten Lebensmitteln ist eine andere. Das wissen alle, die schon mal eigenes Basilikum auf dem Balkon gepflegt haben. Man erkennt, wie viel Arbeit hinter der Ernte steckt und woher die Früchte kommen. Diese Wertschätzung kann uns darin üben, mit einer anderen Sichtweise einkaufen zu gehen. Wir können Gemüse und Obst im Supermarkt neu betrachten und ab und an den regionalen Markt der Stadt bevorzugen. Krumme Karotten schmecken nämlich genauso gut wie ihre kerzengeraden Verwandten und Birnen müssen nun wirklich nicht aus Brasilien kommen, wenn sie auch in Baden-Württemberg wachsen.

Um selbst mit dem Sammeln starten zu können, muss man aber auch wissen, wo die Suche losgeht. Dafür gibt es zwei hilfreiche Projekte, welche die Suche von Obst und Gemüse um ein Vielfaches vereinfachen können. Die App “Mundraub Navigator” bietet einen virtuellen Sammelatlas und gelbe Bänder markieren pflückbereite Obststbäume in Deutschland und Umgebung.

Mit der Mundraub-Navigator App ist es noch einfacher naheliegende Obstsbäume – und sträucher zu finden. Bild: mundraub.org

Im September 2009 paddelten Kai Gildhorn und Katharina Frosch auf der Utrun in Sachsen-Anhalt und trafen auf zahlreiche Obstbäume, welche reichlich Früchte trugen. Mit einem Blick auf ihr mitgebrachtes Proviant, welches in Plastik verpackt und weit hergereist war, wurde ihnen bewusst: “Regional ist viel näher und günstiger.” Noch im gleichen Monat gründeten sie die Website mundraub.org und entwickelten somit einen “Pflückatlas für öffentliches Obst”, wie Kai Gildhorn es selbst nennt.

Die Website ermöglicht allen Besuchenden, freistehende Obstbäume- und sträucher auf einer Karte einzutragen oder selbst darauf nachzusehen. Wer einmal losgehen möchte, um Birnen, Äpfel oder Pflaumen zu sammeln, weiß dank Mundraub-Karte, wo die Ernte losgehen kann. Die Website wuchs über die Jahre stark an Nutzer:innen und etablierte sich als mobile Landkarte der Hobbypflücker:innen in Deutschland und Umgebung.

In den letzten 13 Jahren entwickelte sich mundraub.org zu einer großen Website und einer Organisation, die gemeinsame Ernte- und Pflanzaktionen anbietet. Zudem veröffentlichten sie Ratgeber zu heimischen Pflanzen, dem Zero-Waste Lifestyle und Saisonkalender. Die 2020 veröffentlichte App “Mundraub Navigator” bietet mehreren tausend Nutzer:innen eine mobile Erntekarte direkt in der Hosentasche.

Bevor Sie das nächste Mal Obst im Supermarkt kaufen gehen, schauen Sie mal auf mundraub.org.

Financial Times Deutschland

Apfelmus, Marmeladen oder Säfte werden nur noch selten selbst hergestellt. mundraub.org möchte das ändern und bietet neben der Herkunft der Zutaten auch Tipps zur Verarbeitung auf ihrem Blog. Dort wird beispielsweise erklärt, wie man essbare Pilze erkennt, Hagebuttenmarmelade herstellen kann oder aus unreifen Äpfeln Apfelessig gewinnt. Die Idee hinter mundraub.org fördert nicht nur die Regionalität von Obst, sondern verringert auch die Lebensmittelverschwendung, indem sie mehr Menschen dazu anregt, Obst zu verarbeiten, was man sonst in seinem Alltag übersehen hätte.  

Ohne digitale Hilfe sammelten meine Familie und ich früher an bekannten Plätzen. Denn einmal einen Mirabellenbaum, Kastanienwald oder ein Pfifferlingfeld gefunden, kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit im folgenden Jahr dorthin zurückkehren. Die “Mundraub”-Karte meiner Heimatstadt ist tief in meinem Kopf verankert und ich sammle jedes Jahr erneut von dem gleichen Esskastanienbaum auf meiner Spaziergehroute.

Gelbe Bänder markieren Bäume, von denen sorgenfrei Obst genommen werden kann. Bild: ZEHN

Es gibt jedoch nicht in allen Ecken Deutschlands, Österreichs und der Schweiz verwunschene Wälder und verlassene Obstwiesen. Oftmals kommt es auf Streuobstwiesen zu kiloweise verrottetem Obst aufgrund von Halbwissen und Verunsicherung. Man stellt sich die Frage: Darf ich die Kirschen hier nun mitnehmen oder mache ich mich damit strafbar?

Auf den Obstwiesen von Privatpersonen, Landkreisen und Unternehmen ist es nicht selten, dass die Ernte zu viel wird oder die Besitzer:innen der Bäume keine Zeit gefunden haben, um die Ernte aufzusammeln. Das Ernteprojekt “Gelbes Band” bietet für diesen Fall eine perfekte Lösung: Wer merkt, dass die eigene Ernte zu viel wird, kann ein gelbes Band bei der Gemeinde abholen und den eigenen Baum markieren. Das Band signalisiert: “Hier ist das Obst kostenlos! Es kann ohne Rücksprache mitgenommen werden.” Der Landkreis Esslingen gewann 2020 den Zu gut für die Tonne! – Bundespreis für die Umsetzung des Bänderprojekts.  Bäume mit gelben Schleifen können mehrere Kilo Obst vor dem Verderben retten und zudem Haushalte mit kostenlosem Obst beschenken. Die Jury des Bundespreises hofft, dass das Projekt von mehreren Kommunen übernommen wird und die gelben Bänder für viele Bürger:innen bald ein Begriff ist. 


Nichtsdestotrotz besteht weiterhin die Möglichkeit einfach nachzufragen. So hat meine Familie in den vergangenen Jahren unseren Nachbarn gefragt, ob wir von seinem Kirschbaum pflücken dürfen. Und er war dafür sogar dankbar, da die Ernte jedes Jahr zu viel für seine vierköpfige Familie wurde. Wer also unsicher ist und kein gelbes Band erblickt, kann klingeln und nett nachfragen.

Suppen, Tartes und Schnitzspass - Kürbisse sind beliebte Herbstbegleiter. Bild: pexels
Suppen, Tartes und Schnitzspass – Kürbisse sind beliebte Herbstbegleiter. Bild: pexels

Einen Tag lang im Wald verschwinden und Kastanien sammeln oder an einem Herbsttag spazieren gehen und mit einer Tasche voller Pflaumen und Birnen zurückkehren – das verbindet Familien, Freunde und die Natur mit dem Menschen. Sich das eigene Essen zu suchen, hat eine erdende Wirkung und scheint heutzutage fernab von der Lebensrealität. Dabei bringt es Lösungen von aktuellen Problemen mit sich. Regionaler zu denken ist der erste Schritt eines jeden Menschen, um global zu entlasten. Wer möglichst viel regional kauft und saisonal kocht, verkürzt Transportwege und reduziert CO2-Emissionen. Außerdem steigt die Wertschätzung von dem Essen auf dem eigenen Teller. Die selbstgemachte Marmelade wird meistens mit mehr Andacht gegessen als die übliche aus dem Supermarkt.
Sei es nun das Balkongärtchen, die mundraub– App oder direkt eine eigene Obstwiese – es zahlt sich aus, die Nachbarschaft zu nutzen und besser kennen und schätzen zu lernen. Äpfel wachsen nunmal wirklich auf Bäumen, man muss nur hingehen.

Und wenn man nicht selbst pflücken möchte, kann man auch die Kleinanzeigen der Regionalzeitung durchkämmen oder auf Webseiten von Landwirt:innen aus der Umgebung nachsehen, denn dort wird oft Obst zur Selbstabholung angeboten.
Wer sich während dem Lesen gefragt hat, wann er das letzte Mal selbstgesammeltes Obst, Nüsse oder Beeren mit nachhause gebracht hat, der kann sich die Frage vielleicht schon ganz bald mit “heute” beantworten.

Bis heute schickt mir meine Mutter jedes Jahr ihren selbstgemachten Holunderblütensirup per Post und es macht mich nicht weniger froh als noch vor 15 Jahren.

Regionales Obst macht glücklich und ist gesund
Es ist Erntezeit. Beitragsbild: pexels

Beitragsbild: pexels

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