»A Change Is Gonna Come« ist der berühmteste Song vom Album »Ain't That Good News«, das Sam Cooke im Februar 1964 veröffentlicht. In seiner sanftmütigen Art stimmt »Mr. Soul« darin sein Publikum auf die Umbrüche ein, die die Bürgerrechtsbewegung in den kommenden Jahren bringen wird.
In »One Night in Miami« taucht der Song erst ganz zum Schluss auf. Doch er prägt den Film, der ab dem 15. Januar bei Amazon Prime zu sehen ist, wie ein Leitmotiv. Die Zeiten werden sich ändern. Für die US-amerikanische Gesellschaft und für die vier Männer, die die Geschichte am Abend des 25. Februar 1964 in Miami zusammenbringt.
Cooke, Bürgerrechtler Malcolm X und NFL-Star Jim Brown sind nach Florida gekommen, um dem ersten Kampf von Muhammad Ali, damals noch als Cassius Clay bekannt, um den Weltmeistertitel im Schwergewicht beizuwohnen. Als Ali gewinnt, sind alle überrascht – außer ihm selbst. Mit 22 Jahren ist sein Selbstbewusstsein schon so groß, dass er sich in derselben Nacht noch zu »The Greatest« ausruft. Dass er auch bald den anderen neuen Namen, den muslimischen, bekannt geben sollte, blendet er in dieser Nacht aus. Noch will er die Begeisterung, die ihm plötzlich auch von Weißen entgegengebracht wird, nicht verspielen.
In ähnlichen Konflikten sind auch die anderen Männer verfangen, die sich im Hampton House Motel einfinden. Malcolm X freut sich, dass er Ali an den Glauben heranführen konnte. Dass er für sich selbst schon den Austritt aus der Nation of Islam beschlossen hat, verschweigt er seinem Schützling jedoch.
Footballer Brown wird für seine Rekorde in der NFL gefeiert, doch ihn locken die Aussichten auf eine Karriere als Schauspieler. Ein schwarzer Abenteuerfilmstar! An welchem Punkt des Films er denn wohl das Zeitliche segnen werde, witzeln die anderen. Cooke wird dagegen von Malcolm X direkt angegangen: Ob er weiterhin Weißen gefallen wolle oder auch mal etwas politisch Bedeutsames wie Bob Dylan mit »Blowin' In The Wind« zu produzieren gedenke?
Die Dialoge sind in jedem Moment plausibel
Tatsächlich hat Cooke »A Change Is Gonna Come« zum Zeitpunkt ihres Streits bereits veröffentlicht. Doch das gehört zu den wenigen historischen Lässlichkeiten, die sich Drehbuchautor Kemp Powers, der hier sein eigenes Theaterstück erweitert, herausgenommen hat. Das Treffen der vier Männer am 25. Februar 1964 hat stattgefunden, und auch wenn die Dialoge, mit denen Powers den Abend anfüllt, spekulativ sind, wirken sie in jedem Moment plausibel.
Wie Freunde und nicht wie die Ikonen, zu denen sie im Verlauf der Jahre alle werden, streiten die vier darüber, was es heißt, als Schwarzer Macht in einer rassistischen Gesellschaft zu erkämpfen. Ist Cooke der Unabhängigste von ihnen, weil er seine eigene Plattenfirma gegründet hat und sich selbst die Schecks ausstellt? Oder ist es Malcolm X, der es sich herausnimmt, Weiße als »den Teufel« zu bezeichnen?
Nicht immer kann »One Night in Miami« das Plakative seiner Ursprünge als Kammerspiel abstreifen. Doch wo das Schematische überhandzunehmen droht, wagt Regisseurin Regina King entweder den Sprung aus dem Motelzimmer hinaus in die Welt – oder werfen sich die Schauspieler noch mal mehr ins Zeug, als sie es ohnehin schon tun.
Vier Schauspieler zu finden, deren Charisma sich sowohl an den realen Vorbildern als auch an den Darstellern messen kann, die sie bereits verkörpert haben (etwa Denzel Washington als Malcolm X oder Will Smith als Ali), ist eine irre Herausforderung. King und ihre Casterin Kimberly Hardin haben sie gemeistert und vier Schauspieler gefunden, die sich trauen, über die Nachahmung hinauszugehen und ihre Figuren wirklich zu interpretieren.
Aldis Hodge etwa verleiht seinem Jim Brown eine Härte und ein Misstrauen, die in subtiler Spannung zu dem Selbstbewusstsein stehen, das er aus seinem leistungsfähigen Körper und seinem blendenden Aussehen zieht. Woher diese Härte und dieses Misstrauen rühren, erzählt der Film in einem schockierenden Prolog. Genauso stellt er Sam Cooke in einer Miniatur als jemanden vor, der sich immer wieder sammeln muss, um an dem Rassismus, der ihm entgegenschlägt, nicht zu zerbrechen.
Diesen Druck übersetzt Broadway-Star Leslie Odom Jr. (»Hamilton«) in elektrisierendes Schauspiel, das im Streit mit Kingsley Ben-Adirs feinnervigem Malcolm X noch mal an Aufladung gewinnt. Und selbst Muhammad Alis bald schon legendäre Selbstverherrlichung wirkt in Eli Gorees Verkörperung wie eine spontane Eingebung, der er hier zum ersten Mal folgt.
Kein Zufall womöglich, dass mit Regina King selbst eine Schauspielerin hinter der Kamera gestanden hat. Bei einigen Fernsehfilmen und -serien hat die Oscargewinnerin (Beste Nebendarstellerin in »Beale Street«) bereits Regie geführt. »One Night in Miami« ist ihr Kinodebüt und könnte sie direkt wieder zu den Oscars bringen, sie selbst als Kandidatin für die beste Regie und Ben-Adir und Odom Jr. für die Darstellerpreise.
Viel Raum für eigene inszenatorische Ideen lässt das hochverdichtete Drehbuch King zwar nicht. Und manchmal wünschte man sich, die Kamera würde noch eigenständiger Setting und Figuren erkunden, statt aufs Ensemble fixiert zu sein. Doch wie mühelos es King gelingt, die Geschichte zum Leben zu erwecken und die Figuren in Bewegung zu halten, beeindruckt.
Dabei profitiert sie natürlich davon, dass die Geschichte nach diesem Abend im Miami bekanntermaßen weitergeht und die Momentaufnahme, die sie liefert, nicht mehr als das sein muss: Die Dinge werden sich ändern. »One Night in Miami« erinnert daran, dass es vier Männer gab, die daran maßgeblichen Anteil hatten.
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