»Geschätzte Downloadzeit: 7 Minuten mit einem 56K-Modem«: Internet in der Blütephase des Flash Players
Liebe Netzgemeinde,
wir haben uns heute hier versammelt, um Abschied zu nehmen von einem der Großen des Internets. Nach langer, schwerer Krankheit ist der Flash Player von uns gegangen, im Alter von 25 Jahren.
Mitte der Neunzigerjahre wurde er in Kalifornien geboren. Wir erinnern uns, es waren unschuldige Zeiten: Suchmaschinen wollten nur Gutes tun, soziale Netzwerke waren noch keine Demokratiefleischwölfe und ein gewisser Jeff Bezos hatte gerade erst auf den bemerkenswert weitsichtigen Rat gehört, seinen aufstrebenden Online-Buchladen Amazon zu nennen und nicht Relentless (engl. für gnadenlos). Wir hatten wenig Bandbreite, aber teure Tarife, das kann man sich heutzutage gar nicht mehr ... Jedenfalls, Probleme waren nur dornige Chancen.
Das galt auch für Webentwickler und -designer. Wer mit Flash umgehen konnte, war damals so begehrt, wie es heutzutage allenfalls Expertinnen und Experten für Quantenalgorithmen oder COBOL sind. Denn das Netz wurde multimedial und interaktiv, was einerseits zu bedauerlichen Entwicklungen wie Autoplay, TikTok und Truecrime-Podcasts geführt hat, andererseits die mit dem Aufkommen des Grunge* verloren geglaubte Farbenlehre der späten Siebzigerjahre ins neue Medium rettete: Schreiende Farben sind out, brüllende Farben sind in.
Und so lernte das Internet, uns anzubrüllen. Der Flash Player brachte uns Millionen bunte Spiele und Videos auf die Bildschirme, Animationen mit kreativ versteckten Wegklickkreuzchen und endgeile (wie wir damals so sagten) Websites von Handwerkerbetrieben, die niemals aktualisiert wurden und für Apple-Nutzerinnen und Nutzer bis heute so etwas wie das Darknet sind.
Zugegeben, der Flash-Player hatte seine Schwächen, aber in 25 Jahren kann man ja wohl mal einen Fehler machen oder auch 1118. Es sind aber genau diese Schwächen, die ihn in den Herzen zahlloser Cyberkrimineller unsterblich gemacht haben. Auch Sicherheitslücken sind nur dornige Chancen.
Das haben wir Flash zu verdanken: Webdesign vor 20 Jahren
Foto: webdesignmuseum.org
Aber selbst in unseren Herzen wird der Flash Player weiterleben, sowie in unseren Windows-XP-Rechnern, die wir aus Sicherheitsgründen natürlich nicht mehr verwenden, außer ganz manchmal, wenn das MacBook schon wieder so ein 17 Gigabyte großes Update macht, nur für iMovie und Pages, wer braucht denn ...!?
Pardon.
Unsere Gedanken und guten Wünsche sind bei den Angehörigen von Flash, besonders bei Adobe. Ich möchte schließen mit den visionären Worten eines Freundes der Familie, der einst sagte: "Vielleicht sollte sich Adobe mehr darauf konzentrieren, großartige HTML5-Werkzeuge für die Zukunft zu entwickeln, und weniger darauf, Apple dafür zu kritisieren, dass es die Vergangenheit hinter sich lässt."
Mit diesem tröstlichen Apple, äh, Appell klicken wir nun gemeinsam im stillen Gebet auf Deinstallieren.
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