Eine neue Lautsprechertechnologie mit enormem Potenzial: Holoplot bündelt Töne wie Licht und kann damit gezielt jeden Ort im Raum einzeln beschallen. Das klingt beeindruckend.
Eigentlich hat sich die Firma Holoplot einen denkbar ungünstigen Ort ausgesucht, um ihre neuen Lautsprecher vorzustellen: eine große, fast leere Industriehalle, die ein starkes Echo erzeugt, wenn wir in die Hände klatschen. Doch der Berliner Lautsprecherhersteller hat ihn mit Absicht so gewählt. Denn er präsentiert keine normalen Lautsprecher, sondern eine neue Beschallungstechnik.
Als wir den Raum namens Grid der Multimedia-Ausstellung Dark Matter betreten, sehen wir eine schwarze Kiste mit vielen unterschiedlich großen Löchern, aus denen die Treiber - also die eigentlichen Lautsprecher - herausragen. Ihre Anordnung wirkt teilweise willkürlich, aber meist umgeben vier kleinere einen größeren Treiber.
In der Halle sind 22 solcher Module an den Wänden angebracht. "Unsere Vision ist nicht, einfach nur ein Entertainment-System zu bauen. Für uns ist klar, dass das hier die disruptive Technologie im Audiobereich ist", sagt der Geschäftsführer von Holoplot Roman Sick.
Was uns im Folgenden gezeigt wird, untermauert diese Aussage eindrücklich. Die Ingenieure von Holoplot starten das Programm mit einer einfachen Übung: Der Raum verwandelt sich akustisch in eine Surround-Umgebung, in der Geräusche von überallher zu kommen scheinen. Dabei klingen sie an jedem Ort im Raum hervorragend.
Dann erleben wir erstmals die neuen Möglichkeiten der Sound-Separation: An drei mit Licht markierten Orten im Raum sind jeweils verschiedene Ausschnitte des Funkverkehrs der Mondlandung 1969 zu hören. Diese Felder können in der hauseigenen Software beliebig definiert und in Echtzeit verändert werden.
Am beeindruckendsten fanden wir eine Demonstration, bei der wir uns frei in einer virtuellen Audio-Dschungellandschaft bewegten, die die gesamte Halle ausfüllte. Neben uns schlichen Raubtiere durchs Geäst, umkreisten uns, über uns flogen Vögel hinweg - und als wir uns einem Punkt an der Frontseite der Halle näherten, konnten wir eine kleine Quelle sprudeln hören.
Die Separation funktionierte dank der lauten Umgebungsgeräusche des Dschungels so gut, dass wir das Wasser ganz klar nur direkt an seinem Ursprungsort vernehmen konnten. Gingen wir bewusst an der virtuellen Quelle vorbei, bekamen wir eine Art akustisches Streiflicht des Plätscherns zu hören.
Die Analogie zu einer Lichtquelle ist nicht ganz abwegig: Wie bei einem Spot-Scheinwerfer hängt der Effekt des gerichteten Schalls stark von der Umgebung ab. In einem weiß gestrichenen Raum wird das Licht beispielsweise stärker von der Oberfläche reflektiert und beleuchtet nicht nur den gewünschten Bereich. Ebenso kann die Technologie von Holoplot die Physik nicht ausschalten - in einem stillen Raum reflektieren die Oberflächen den Schall weiterhin und auch die fokussierten Töne sind außerhalb des gezielt definierten Bereichs hörbar. Ihre Unmittelbarkeit verlieren sie aber und auch der Lautstärkepegel sinkt drastisch.
Aber im Gegensatz zu bisherigen Systemen, die ein reales Schallfeld erzeugen, werden wesentlich weniger Lautsprecher und nur ein Bruchteil des Aufwandes für die Einrichtung eines Veranstaltungsortes benötigt. Statt Hunderter präzise ausgerichteter Einzelboxen genügen wenige Module des X1-Systems. Ihre Einmessung und Ausrichtung per Software passiert innerhalb weniger Stunden - fast wie bei einem normalen Lautsprechersystem.
Was nach der Demonstration auch klar ist: Mit Holoplot lässt sich eine definierte Fläche dreidimensional sehr homogen beschallen. So wird bei einem Konzert jeder Platz zum Sweet-Spot. Die möglichen Anwendungsfelder sind derzeit noch kaum überschaubar und reichen von Vergnügungsparks über Events bis hin zu Ansagen auf Bahnhöfen oder anderen belebten Plätzen.
Holoplot-CEO Roman Sick sieht seine Produkte daher auch eher als Instrumente denn als normale Lautsprecher. Er sei gespannt, welche neuen Ideen aus den Möglichkeiten des Systems entstünden, sagt er.
Konfiguration, Kontrolle und Kreation
Angetrieben werden die zwei Hardware-Komponenten X1 Modul 96 und X1 Modul 80-S von hauseigener Software. Diese umfasst momentan drei Bereiche: Konfiguration, Kontrolle und Kreation. Sie ist cloudbasiert und läuft in den Lautsprechermodulen auf einem FPGA mit Embedded-Linux kombiniert mit einem 96-Kanal-Verstärker. Auch innen setzt sich die modulare Bauweise fort - so soll eine leichte Aufrüstbarkeit und Wartung ermöglicht werden.
Das gilt für die Software gleichermaßen. Entwicklungschef Michael Hlatky betont bei einem Rundgang durch die Produktionsstätte in Berlin-Tempelhof, dass man nicht ohne Grund einen FPGA statt der branchenüblichen DSPs verbaut hat: Dessen Leistungsreserven ermöglichten Updates, die komplett neue Funktionen freischalten könnten.
In Berlin werden derzeit von sieben Angestellten monatlich bis zu 250 X1-Module zusammengebaut, sagt Produktionsleiterin Juliane Nägele. Sie gehen momentan hauptsächlich auf den US-Markt, wo das System beispielsweise in Vergnügungsparks im Einsatz ist. Der Rest der rund 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist hauptsächlich in der Entwicklung von Hard- und Software tätig.
Der Raum Grid in der Ausstellung Dark Matter in Berlin ist ein Beweis dafür, welch starke sensorische Effekte sich mit Holoplot erzeugen lassen. Wer sich das System anhören möchte, kann das in Berlin in der Ausstellung Dark Matter tun.
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