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Fleisch teurer für Tierschutz - Obst und Gemüse günstiger? - Usinger Anzeiger

Eine «Tierwohlabgabe» könnte etwa bedeuten, dass 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst erhoben werden. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa (Bild: dpa) Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Eine «Tierwohlabgabe» könnte etwa bedeuten, dass 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst erhoben werden. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa (Bild: dpa) (Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa)

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Berlin - Beim Lebensmitteleinkauf zählt vor allem, wie es schmeckt - und was es kostet. Zusehends rückt aber auch in den Blick, dass es Millionen Supermarktkunden jeden Tag mit beeinflussen können, wie sich Ernährungstrends und Produktionsbedingungen wandeln.

Nach der Bundestagswahl geht es konkret um Preisaufschläge bei Fleisch und Wurst, um Umbauten für mehr Platz in den Ställen mitzufinanzieren. Die Verbraucherzentralen machen sich dafür stark, solche Mehrkosten in ein Gesamtkonzept einzubetten: mit günstigerem Obst und Gemüse.

«Es ist wichtig, neben dieser Preissteigerung auch eine Entlastung vorzusehen», sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, der Deutschen Presse-Agentur. Und direkt wirken würde es, wenn gleichzeitig Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte mit einem noch geringeren Mehrwertsteuersatz belegt würden. «Das heißt, wir wären hier unter sieben Prozent.»

Tierwohl kostet Geld

Die Debatte ist in Fahrt gekommen, seit eine Expertenkommission des Agrarministeriums um den früheren Ressortchef Jochen Borchert eine «Tierwohlabgabe» vorgeschlagen hat, um Milliardeninvestitionen in bessere Haltungsbedingungen zu finanzieren. Denkbar wären unter anderem 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, 2 Cent pro Kilo für Milch und Frischmilchprodukte, 15 Cent pro Kilo für Käse und Butter. Umgesetzt werden könnte das als Verbrauchsteuer. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) unterstützt solche Pläne. Eine konkrete Umsetzung ist aber Sache der neuen Regierung nach der Bundestagswahl.

Müller sagte, es gehe um Akzeptanz. «Wenn wir Tiere anders halten wollen, was die große Mehrheit der Bevölkerung unterstützt, dann schlägt sich das auch in den Preisen nieder.» Teurere tierische Produkte bedeuteten für viele Verbraucher allerdings «einen echten Einschnitt in ihre Lebensgewohnheiten und auch ihr Haushaltsbudget». Darum sei es neben kostenloser hochwertiger Verpflegung in Kitas und Schulen und der Erhöhung sozialer Transferleistungen ein wichtiger Punkt, dies über die Mehrwertsteuer mit auszugleichen.

Sonntagsbraten und Gemüsepfanne

«Jemand, der dann genauso essen möchte wie heute, wird unterm Strich mehr bezahlen», sagte der oberste Verbraucherschützer. «Aber jemand, der seine Ernährung ein wenig umstellt - den Sonntagsbraten gibt es immer noch, aber unter der Woche eben vielleicht Gemüsepfanne - der hat die Möglichkeit, insgesamt genauso günstig wie heute zu essen.» Eine Mehrwertsteuerreduktion bei Obst und Gemüse hatte auch eine vom Bundeskabinett eingesetzte Landwirtschafts-Kommission als eine Option für finanzielle Anreize genannt. Denn «nachhaltige», mehr pflanzlich orientierte Ernährungsstile mit weniger Fleisch seien zu fördern.

Klöckner sagte der dpa: «Wir dürfen uns nichts vormachen: Wenn man mehr Tierwohl will, dann müssen Ställe umgebaut werden, damit Tiere mehr Platz und Außenluft bekommen.» Das koste Tierhalter richtig viel Geld, viele zahlten noch ihre jetzigen Ställe ab. «Es wird also uns alle mehr kosten, vielleicht 40 Cent mehr pro Kilogramm Fleisch. Ich finde, das muss uns mehr Tierwohl wert sein.» Dadurch würden andere Lebensmittel wie Obst und Gemüse in der Relation auch günstiger als tierische Produkte. «Gleichzeitig soll Fleisch kein Luxusprodukt werden.» Sozialleistungen müssten dann entsprechend angepasst werden.

Grüne dafür, AfD dagegen

Auf Wandel, der die Ladenpreise mit einbezieht, setzen auch die Grünen - etwa mit einer «Umbauförderung» für Landwirte, die durch einen «Tierschutz-Cent» auf tierische Produkte finanziert wird. Um vegetarische und vegane Ernährung attraktiver und leichter zugänglich zu machen, sollten pflanzliche Milchalternativen mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz verkauft werden. «Auch für fair gehandelten Kaffee wollen wir die Steuer runtersetzen», heißt es im Wahlprogramm.

Die AfD erklärt in ihrem Programm, der «mündige Verbraucher» solle in seinem Konsumverhalten nicht staatlich bevormundet werden. «Deshalb lehnen wir jede Form der gesonderten Lebensmittelbesteuerung, wie eine Fleisch- oder Zuckersteuer, ab.»

«Kostenlose Kita- und Schulverpflegung»

Die Linke fordert: «Wir wollen bundesweit eine kostenlose Kita- und Schulverpflegung einführen, die auf regionale und ökologisch nachhaltige Lebensmittel setzt.» Für weniger Verschwendung müssten Supermärkte verpflichtet werden, aussortierte, aber noch genießbare Lebensmittel kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Auch die SPD setzt sich für kostenlose Kita- und Schulverpflegung ein und will Handel und Produzenten untersagen, genießbare Nahrungsmittel wegzuwerfen.

Die FDP will bei Lebensmitteln unter anderem prüfen, bei welchen Produkten das starre Mindesthaltbarkeitsdatum durch «ein dynamisches Verderbslimit» ersetzt werden kann. «Intelligente» Verpackungen und Haftungserleichterungen für Lebensmittelspenden könnten helfen, Verschwendung zu reduzieren. Die Union spricht sich etwa auch für Ernährungsbildung und «Zugang zu gutem Kita- und Schulessen» für jedes Kind aus. Zusammen mit der Branche solle eine «Nationale Lebensmittel-Agentur» gegründet werden, die für heimische regionale Produkte und hiesige hohe Standards im In-und Ausland wirbt.

Verbraucherschützer Müller: «Ganz viele Wenden»

Verbraucherschützer Müller sieht Preisentlastungen bei Obst und Gemüse auch in einem größeren Zusammenhang. «Die Politik diskutiert ja zurzeit über ganz viele Wenden: eine Energiewende, eine Mobilitätswende, eine Agrarwende. Alle die werden erst mal dazu beitragen, dass Preise für energieintensive Produkte teurer werden.»

Er rufe jetzt schon allen Ökonomen zu: «Wir werden eine muntere Debatte über diese politische Inflation bekommen. Wenn alle Wenden gleichzeitig auf Deutschland zulaufen, dürften sie sich zuerst auf Inflationsraten addieren, die sich gewaschen haben.» Das sei dann verträglich, wenn es gleichzeitig Entlastung auf anderer Seite gebe.

© dpa-infocom, dpa:210812-99-812737/4

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