Sennheiser IE 900 im Test: Luxus im Ohr - DER SPIEGEL
An diesen Kopfhörern ist alles anders als gewohnt: Sie werden in Deutschland hergestellt, funktionieren nur per Kabel und haben kein Mikrofon. Außerdem sind sie sauteuer. Lohnt sich das?
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGEL
Bei den IE 900 von Sennheiser muss man erst mal Verzicht üben. All das, was man von modernen In-Ohr-Headsets gewohnt ist, haben sie nicht. Es gibt kein Mikrofon, keine Geräuschunterdrückung, nicht mal Bluetooth ist eingebaut. Stattdessen liegen mehrere Kabel im Karton, ein ganzer Schwung unterschiedlicher Ohrpassstücke aus Silikon und Memory-Schaum und eine robuste Transportbox mit einer Seriennummer. Bei meinem Testgerät hat die genau so viele Ziffern wie der Preis, den der Hersteller für die IE 900 angibt, also vier.
Ja, Sie haben richtig gelesen, Sennheiser verlangt für diese Kopfhörer eine vierstellige Summe, nämlich 1299 Euro. Dafür könnte man sich auch für jeden Tag der Woche ein Paar AirPods von Apple kaufen und hätte noch genug für ein gutes Abendessen übrig. Aber der IE 900 setze eben Maßstäbe, prahlt das Unternehmen, nicht nur preislich.
Das fängt damit an, dass er nicht von billigen Arbeitskräften in fernen Ländern zusammengesteckt, sondern am niedersächsischen Stammsitz des Unternehmens gefertigt wird. Eine Besonderheit sind dabei die aus Aluminium gefrästen Gehäuse. Zum einen sind sie sehr stabil und leicht, wiegen nur vier Gramm. Zum anderen sind ins Innere drei »akustische Kammern« gefräst, die helfen sollen, das Lautstärkeverhältnis zwischen hohen und tiefen Tönen auszugleichen.
Einer muss reichen
Der rote Ring zeigt, dass dies der rechte Ohrhörer ist. Die Kabel werden bequem per Klickverschluss verbunden
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGEL
Ungewöhnlich: In den IE 900 sorgt ein einziger Breitbandtreiber für die Klangerzeugung. Man könnte sagen, dass ein einziger Lautsprecher alle Frequenzen abdeckt. Viele andere High-End-Hersteller verwenden in derart teuren Produkten eher mehrere Treiber, die auf unterschiedliche Frequenzbereiche spezialisiert sind. Ebenfalls ungewöhnlich: Sennheiser packt nicht einfach einen linken und einen rechten Ohrhörer in den Karton. Stattdessen werden die Paare von Hand selektiert. So sollen offenbar Toleranzen im Herstellungsprozess ausgeglichen werden, sodass linke und rechte Seite klanglich besonders gut zusammenpassen.
Ein Nebeneffekt des Designs: Hat man unter den sechs mitgelieferten Ohrpassstücken die richtigen gefunden, sitzen die Sennheisers angenehm fest, aber nicht drückend in den Ohren. Die über die Ohren gezogenen Kabel sorgen dabei für zusätzlichen Halt. Als Brillenträger muss ich allerdings meine Brille vor dem Einstecken der IE 900 abnehmen und danach wieder aufsetzen.
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Auf das Zubehör kommt es an
Die mitgelieferten Kabel unterscheiden sich nur in Art und Größe der Stecker
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGEL
Einen deutlichen Hinweis, dass die IE 900 primär für die Verwendung mit mobilen Geräten vorgesehen sind, geben die drei mitgelieferten Kabel, die sich nur durch ihre Stecker (2,5 mm, 3,5 mm und 4,4 mm) unterschieden. Mit 1,2 Metern Länge sind sie zu kurz, um sie in einen Hifi-Verstärker einzustöpseln und sich im Sessel zurückzulehnen. Außerdem fehlt ihnen dafür der 6,3-mm-Stecker, den viele Verstärker bei Kopfhörern erwarten.
Ohnehin ist es empfehlenswert, sich zu den Kopfhörern einen separaten Digital-Analog-Wandler (DAC) zu gönnen. Also ein Gerät, das die Umwandlung der digtalen Audiodaten in analoge Musiksignale übernimmt. Natürlich kann man dafür auch Apples zehn Euro teuren »Lightning auf 3,5‑mm-Kopfhöreranschluss Adapter« an ein iPhone anstecken, würde damit aber viel vom Potenzial des IE 900 verschenken. Günstige DACs bekommt man schon ab etwa 100 Euro, gute kosten mehr, manche sind unverschämt teuer. Ebenso groß wie das preisliche Spektrum sind auch die Formate dieser Apparate. Manche sind so klein wie ein USB-Stick, andere groß wie ein Desktop-PC.
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Der Sound
Aber ganz egal, ob man die Kopfhörer nun an einen teuren DAC anschließt, an ein Smartphone oder an den Kopfhörer eines analogen Verstärkers, über den man Schallplatten hört: Der Klang ist immer überdurchschnittlich gut. Über das gesamte Frequenzspektrum werden Instrumente und Stimmen gleichmäßig und auffällig klar wiedergegeben. Dabei haben die IE 900 keine Mühe, gleichzeitig ganz weit in den Basskeller hinabzusteigen und darüber transparente Mitten und glänzende Höhen abzubilden. Was ich mit all der blumigen Sprache zu sagen versuchen: Sie klingen einfach gut, verdammt gut. Und das von der ersten Note an.
Ob es sich lohnt, dafür 1300 Euro auszugeben, ist eine schwierige Frage, die vor allem davon abhängt, wann und wie man Musik hört. Als Kopfhörer zum Joggen etwa wären die IE 900 rausgeschmissenes Geld. Beim Laufen würde man ihre feinen Nuancen nicht wahrnehmen und wäre eher genervt, weil die Kabel bei jedem Schritt Geräusche verursachen.
Fazit
Keine Frage, für normale Musikhörer sind Sennheisers IE 900 zu teuer. Viel zu teuer. Das liegt nicht nur an ihrem vierstelligen Preisschild, sondern auch an dem Zubehör, das man benötigt, um ihre Fähigkeiten auszunutzen. Ohne einen ordentlichen DAC oder einen guten Audio-Player, wäre das rausgeschmissenes Geld.
Wer so etwas hat, also gewillt ist, vergleichsweise viel Geld für Musik und das Anhören derselben auszugeben, sollten den IE 900 eine Chance geben. Die Klangentfaltung ist fantastisch, die Herstellungsqualität hervorragend.
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