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Vernetzung im Smart Home: Alles eins mit Thread und Matter - Golem.de - Golem.de

Mit Thread und Matter soll endlich etwas gelingen, woran bislang alle gescheitert sind: verschiedenste Smart-Home-Produkte zu einem Ökosystem zu verbinden.

von Jan Rähm
Ein Thread-Netzwerk kann aus einem oder mehreren Routern und diversen Endpunkten bestehen.
Ein Thread-Netzwerk kann aus einem oder mehreren Routern und diversen Endpunkten bestehen. (Bild: Openthread / Montage: Golem.de)

Gleichwohl das Konzept des intelligent vernetzten Zuhauses, kurz: Smart Home, durchaus etabliert ist, leidet es noch immer an einer immensen Vielfalt an unterschiedlichen Verbindungsstandards, Protokollen und herstellerabhängigen Ökosystemen - mal kabelgebunden, mal kabellos. Meist führt das dazu, dass Kunden sich im Universum eines einzigen Herstellers wiederfinden.

Alle Versuche, das Smart Home auf einen Nenner zu bringen, sind bisher gescheitert. Entsprechend ist es bis heute nicht möglich, beliebige Sensoren oder Aktoren verschiedener Hersteller und Systeme gemeinsam zu verwenden - oder zumindest nicht, ohne in Geräte zu investieren, die von System A zu System B übersetzen, was aber auch nicht immer klappt. Nun gibt es mit Thread und Matter einen neuen Anlauf für mehr Flexibilität und Wahlfreiheit im Smart Home.

Zweigeteilt ins Smart Home

Der neue Ansatz ist zweigeteilt. Da ist zum einen der zugrundeliegende technische Standard Thread und zum anderen die Software Matter. Die Funktechnologie Thread setzt auf dem global gültigen IEEE-Standard 802.15.4 auf, der schon in anderen Smart-Home-Lösungen wie Zigbee genutzt wird. Die Weiterentwicklung und Standardisierung wird von der Thread Group koordiniert, der aktuell knapp 120 Unternehmen und Organisationen angehören.

Hinter Matter wiederum steht die Connectivity Standards Alliance (CSA) mit aktuell mehr als 220 Mitgliedern. Sowohl Matter als auch die CSA haben eine Umbenennung hinter sich. Matter hörte bis Anfang 2021 auf die Bezeichnung Connected Home over IP, kurz: CHIP. Die CSA war bislang als Zigbee Alliance bekannt.

Thread ist dank einiger Vorzüge besonders: So unterstützt der Standard die sogenannte Mesh-Vernetzung, bei der sich alle Geräte mit fast allen anderen Geräten verbinden und so ein sehr zuverlässiges Netz bilden können. Geräte können dabei Peer-2-Peer direkt miteinander kommunizieren, ohne einen Umweg über eine zentrale Komponente nehmen zu müssen. Auch die direkte Kommunikation zu Cloud-basierten Systemen soll möglich sein.

Thread soll außerdem sehr energieeffizient arbeiten. Einen weiteren Vorzug erklärt Johan Pedersen, Ingenieur und Manager Product Marketing - Smart Home & Consumer IoT beim global agierenden Elektronikhersteller Silicon Labs (Silabs) in Dänemark: "Der besondere Vorteil, der den Kern von Thread ausmacht, besteht darin, dass Thread auf IPv6 basiert. Daher: Es ist sehr einfach, ein Gerät im eigenen Netz bis hin zur Cloud zu verbinden, zu kommunizieren und zu identifizieren, da jedes Gerät seine eigene IP hat." Weitere Eigenschaften, die die hinter der Technologie stehende Thread Group hervorhebt, sind das Fehlen eines Single Point of Failure und die Fähigkeit zur Selbstheilung.

Die Teile eines Thread-Netzwerks

Ein Thread-Netzwerk kann aus einem oder mehreren (Border) Routern (maximal 32) und diversen Endpunkten (maximal 511 je Router) bestehen. Der Border Router stellt dabei die Verbindung zu externen Netzen her und kann je nach Ausstattung auch als Gateway zu Non-Thread-Netzwerken wie WLAN dienen. Einmalig im Thread-Netzwerk ist der sogenannte Thread Leader, der die im Netzwerk befindlichen Router koordiniert und netzwerkweite Konfigurationsinformationen verteilt. Welches Gerät der Leader ist, bestimmt das Netzwerk selbst. So soll die angestrebte Ausfallsicherheit und Fehlertoleranz erreicht werden.

Grundsätzlich basiert ein Thread-Netzwerk auf zwei Geräteklassen. Die sogenannten Full Thread Devices (FTD) sind meist Geräte mit permanenter Energieversorgung und spannen dauerhaft ein Funknetz auf. Die FTD verwalten, so sie als Router fungieren, im Netzwerk die IPv6-Adresszuweisungen und abonnieren die All-Router-Multicast-Adresse, über die Nachrichten an alle im Netzwerk befindlichen Geräte versendet werden. Die Gruppe der FTD wiederum unterteilt sich in Router, Router Eligible End Device (REED) und Full End Device, das dauerhaft ein Endpunkt ist. Die ersten beiden FTD-Arten können sowohl als Router als auch als Endpunkt fungieren.

Eine Besonderheit in Thread ist die Möglichkeit, REEDs zum Router zu befördern. Das passiert immer dann, wenn ein Endpunkt keine Möglichkeit der direkten Verbindung zu einem Router hat oder es mit mehr als 511 Endgeräten zu viele Endpunkte für einen einzelnen Router im Netzwerk gibt. Andersherum kann sich ein REED selbst zum Endpunkt degradieren für den Fall, dass keine Endpunkte mit ihm verbunden sind.

Bei Störung teilt sich das Netzwerk in Partitionen

Die zweite große Gerätegruppe in Thread sind die Minimal Thread Devices, die ausschließlich als Endpunkt arbeiten. Sie unterteilen sich wiederum in zwei Gruppen. Ein Minimal End Device (MED) ist always on und erhält Nachrichten direkt. Im Gegensatz dazu ist ein Sleepy End Device (SED) den Großteil der Zeit deaktiviert und fragt nur gelegentlich Nachrichten vom "vorgesetzten" Gerät, dem sogenannten Parent, ab.

Verliert ein Teil der Geräte im Netzwerk die Verbindung zum Rest und ist ein FTD mit Router-Eignung darunter, spaltet sich das Netzwerk in Partitionen auf. Alle Partitionen agieren ab diesem Zeitpunkt autonom, haben aber identische Sicherheitseinstellungen und Zugangsdaten. Fällt der Grund für die Trennung weg und besteht wieder eine Funkverbindung, schließen sich die Partitionen wieder zu einem einzelnen großen Netzwerk zusammen.

Mit Openthread existiert bereits eine Open-Source-Umsetzung von Thread. Initiiert hat das Projekt Google mit dem Ziel, "die in Google-Nest-Produkten verwendete Netzwerktechnologie Entwicklern breiter zugänglich zu machen, um die Entwicklung von Produkten für vernetzte Heime und gewerbliche Gebäude zu beschleunigen". Die Website zum Projekt hält außerdem umfangreiche Informationen zu Hintergründen und zur Funktionsweise von Thread sowie die aktuelle API-Referenz bereit. Der Quellcode ist in einem Github-Repository öffentlich zugänglich.

Die Steuerkomponente Matter

Ebenfalls öffentlich ist die Software Matter, die wie Thread in einem Github-Repro bereitsteht. Auch wenn Matter meist in einem Atemzug mit Thread genannt wird, versteht sich die Software auch auf weitere Techniken wie derzeit das drahtlose Netzwerk WLAN und den energieeffizienten Nahbereichsfunk Bluetooth BLE, der meist zur Initialisierung und Einrichtung einzelner Nodes genutzt wird.

Die Implementierung weiterer (Funk-)Standards ist denkbar. Johan Pedersen von Silabs hebt hervor: "Bei Matter geht es nicht um eine bestimmte drahtlose Technologie. Die Branche hat erkannt, dass es nicht das eine Werkzeug gibt, das für alle Zwecke geeignet ist. Man muss den ganzen Werkzeugkasten nutzen." Genau das sei der Grund, warum Matter über die einzelnen Drahtlostechnologien hinausgehe. "Es ist also zu erwarten, dass zu einem späteren Zeitpunkt noch weitere drahtlose Technologien in den Mix aufgenommen werden."

Derzeit werden andere Smart-Home-Systeme noch über spezielle Gateways ins Matter-Netz eingebunden. Beispielsweise sind solche System-Übersetzer für das Z-Wave-System geplant, wie Mitchell Klein von der Z-Wave Alliance in einem Blogeintrag auf Linkedin beschreibt.

Matter soll sich als der einheitliche Verbindungsstandard für das Smart Home etablieren. Herstellereigene Systeme wie Apple Homekit, Amazon Alexa oder Google Assistant sollen und können zum Teil bereits daran andocken. Anwenderinnen und Anwender sollen so später beliebige Geräte wie Glühlampen, Heizungs- und Rolladensteuerungen, Türschlösser, Temperatursensoren und viele mehr von beliebigen Herstellern in ein Netzwerk bringen und über eine App steuern.

"Unabhängig davon, ob Sie einen Google Home Assistant oder einen Amazon Echo in Ihrem Haus verwenden, werden Sie in der Lage sein, eine Glühbirne einfach mit einem dieser Systeme zu verbinden", erklärt Johan Pedersen. Er betont eine große Besonderheit dabei: "Wenn Sie mehrere Benutzer im Haus haben, von denen einer lieber das Google-System und der andere lieber das Amazon-System verwendet, dann können sie dank Matter genau das tun. Im selben Netzwerk werden alle Geräte mit allen Systemen zusammenarbeiten können, also interoperabel sein." Das hat bisher kein Smart-Home-Ökosystem geschafft.

Thread und Matter in der Praxis

Und wie sieht es in der Praxis aus? Die ersten mit Thread ausgestatteten Geräte sind bereits am Markt und die ersten Systeme verstehen sich auf Matter. Doch um die angestrebte Interoperabilität ist es noch eher schlecht bestellt. So testeten beispielsweise die Kollegen von Heise erste Systeme und stießen auf einige Hürden und fehlende Zusammenarbeit.

Das sei auch nicht weiter verwunderlich sei, betont auf Nachfrage Johan Pedersen von den Silabs: "Das Matter-Zertifizierungsprogramm befindet sich noch in der Entwicklung. Die Details sind bei der CSA zu finden. Das bedeutet aber, dass es derzeit noch keine kommerziellen Matter-zertifizierten Produkte gibt, weil das Zertifizierungsprogramm eben noch nicht abgeschlossen ist." Solange es keine zertifizierten Geräte gebe, werde auch die Interoperabilität und Kompatibilität der verschiedenen Geräte noch nicht gegeben sein: "Thread ist nur ein Transportmittel, genau wie die anderen drahtlosen Technologien. Aber Matter definiert die notwendigen Anweisungen, wie man kommuniziert, und weitere Details. Die genauen Spezifikationen werden noch finalisiert." Sind Spezifikationen und Zertifizierung fertig, soll das Matter-Zeichen sicherstellen, dass unterschiedlichste Geräte verschiedener Hersteller nahtlos und problemlos zusammenarbeiten.

Einschätzungen zu Thread und Matter

In der Branche gibt es durchaus Optimismus, dass die Kombination von Thread und Matter wirklich den gewünschten Durchbruch bringt. Neben dem bereits erwähnten Mitchell Klein von der Z-Wave Alliance sieht auch der deutsche VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik großes Potenzial in Thread und Matter.

Alexander Matheus, Smart-Home-Experte im VDE-Prüf- und Zertifizierungsinstitut in Offenbach, kennt die Probleme der Lösungsvielfalt im Smart Home bestens. Er sagt: "Mit diesen neuen Standards könnte die Interoperabilität wirklich einen neuen Schritt machen." Er schränkt zwar ein, dass er, weil beides erst angekündigt sei, noch keine großen Aussagen machen könne. Aber: "Thread als Verbindungstechnik kann wirklich neue Wege gehen - und vor allem auch Matter, mit dem verschiedenste Technologien miteinander verbunden werden können. Zur Interoperabilität kann es wirklich sehr viel beitragen."

Den Beweis müssten die Systeme erbringen, wenn es genug Geräte gebe und man auch mehrere dieser Geräte und Ökosysteme miteinander verbinden könne. Alexander Matheus warnt allerdings auch vor Gefahren, die vor allem europäischen Herstellern drohen könnten: "Es gibt eben einige Firmen, die bisher nicht bei diesen Systemen mitmachen. Ich hoffe, dass die den Anschluss nicht verlieren."

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