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Das Literarische Quartett hat Lisa Eckhart zu Gast - Süddeutsche Zeitung

Komisch eigentlich, dass es immer noch "Das literarische Quartett" heißt, und nicht zum Beispiel "Deutsche Charakterkritik". In dieser ZDF-Sendung halten zwar vier Leute Bücher in die Kamera, pochen mit den Knöcheln auf den Umschlag, dass es hohl klingt, aber über Literatur ist da schon seit Jahren nicht mehr geredet worden. Es geht meistens darum, wie eine Autorin oder ein Autor etwas gemeint hat und wie er einem deswegen als Mensch so vorkommt, oder was seine Figuren machen, und ob das ein nachvollziehbares Handeln ist. Es geht noch nicht mal um Handlung in einem dramaturgischen Sinn, und schon gar nicht um Literatur als Kunst.

Wobei man es umso höher schätzen muss, wenn einmal einer der Gäste, wie in der aktuellen Folge der Schauspieler Ulrich Matthes, sich um ein ästhetisches oder formales Argument bemüht. Er zielt eigentlich direkt auf die dringend anliegende Diskussion, wenn er über den aktuellen Essayband von Michel Houellebecq sagt: "Ich habe im Laufe der Lektüre zunehmend die Lust daran verloren, zu entschlüsseln: Handelt es sich bei dieser oder jener Äußerung um eine ironische Bemerkung, ist es eine Provokation, ist es seine Privatmoral, ist es der Gesellschaftsclown. Und ist es noch konservativ, oder schon reaktionär?" Danach liest er eine vorbereitete Liste der reaktionären Phrasen aus den Texten vor, verhindert damit aber leider selbst das Gespräch über die absichtlich uneindeutige Performanz, die Houellebecq als öffentlicher Intellektueller pflegt.

Das wäre nun aber nötig gewesen, weil das Buch gerade von der Kabarettistin und Autorin Lisa Eckhart vorgestellt worden war, die sich an dieser Uneindeutigkeit auf fatale Art ein Beispiel genommen zu haben scheint. In ihren Programmen erweckt sie mittlerweile eigentlich nicht mehr gar so virulente antisemitische Stereotype zum blühenden Leben, vorgeblich um irgendetwas zu entlarven, wobei man nie weiß, wen oder was, und eilfertige Zuschauer halten das dann für Ironie oder verdrehte Provokation. Der Schriftsteller Maxim Biller hat gerade in der SZ darauf hingewiesen, dass diese Frau in die Sendung einzuladen, die einmal der Überlebende der Shoah und zentrale Literaturkritiker des 20. Jahrhunderts Marcel Reich-Ranicki erfunden hat, eine Geschmacklosigkeit ist. Das einzige, über das man mit Lisa Eckhart in diesem Zusammenhang hätte reden können, wäre die verfluchte Dynamik von Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit in der Literatur und verwandten Künsten gewesen. Da hatte Ulrich Matthes schon recht.

Für Ästhetik und Literatur interessiert sich vor allem die Moderatorin nicht

Damit wäre man sogar ziemlich nah am Kern gegenwärtiger ästhetischer Streitigkeiten gewesen, siehe Memoir-Literatur, siehe Dokumentar-Theater, siehe Polit-Kunst. Und womöglich hätte dieses Gespräch gezeigt, warum Lisa Eckhart so lasziv sein möchte und dabei so unangenehm berechnend wirkt. In diesem Zusammenhang soll und darf sicher erwähnt werden, dass ihr mit einer Art Airbrush-Dschungel bedruckter Blazer bei der Aufzeichnung etwas offen stand, und darunter soll es wohl aussehen, als sei sie nackt. Wer jemals auf diesen zu niedrigen Stühle saß, mit denen solche Sendungen möbliert sind, ahnt, dass so ein Outfit darauf nicht halb so sexy wie krampfig ist.

Davon abgesehen verteidigte sie Friedrich Nietzsche gegen Houellebecq und las in Don DeLillo etwas Eugene Ionesco rein, wäre auf ihre bildungsbeflissene Art also sicher zu Diskussionen zu bringen gewesen. Aber für Ästhetik und Literatur interessiert sich in dieser Sendung eben vor allem die Moderatorin Thea Dorn nicht, die ihr Programm abstrampelt wie eine Turnlehrerin. Wobei der Vergleich vor allem für ihre Stimmlage gilt, mit der sie immer irgendwelche Trödler auszuschimpfen scheint, die sich hinter dem Mattenwagen versteckt haben.

Ihr Versuch, die Peinlichkeit der aktuellen Sendung auszubügeln, in dem sie zuletzt den Roman "Es wird wieder Tag" von Minka Pradelski zur Diskussion stellt, scheitert dann auch komplett. Es geht darin um Überlebende der Lager der Nazis, ein Paar, deren Sohn 1946 das erste jüdische Kind ist, das nach dem Krieg in Frankfurt geboren wird. Aus der Perspektive des Säuglings ist der Romananfang erzählt. Immerhin wurde da eine Parallele zu Günter Grass' "Blechtrommel" erkannt, aber nochmal reingeschaut hatte in das Buch offenbar niemand. In den berühmten Verriss von Reich-Ranicki ("Die meist präzisen und bisweilen wollüstigen Schilderungen seiner Art ergeben nichts für seine Zeitkritik") erst recht nicht.

Dass der dritte Gast, die Profitennisspielerin und neuerdings literarische Autorin Andrea Petković, anmerkt "für mich" habe das Buch die Figuren, und zwar die jüdischen Überlebenden und eine KZ-Aufseherin gleichermaßen, "humanisiert", war eine Grobheit, über die man leider nicht den Mantel des Schweigens legen darf, weil sie ihr von dieser Sendung geradezu aufgedrängt worden zu sein scheint. Das "Literarische Quartett" ist heute keines mehr, sondern eine Talkshow, in der mithilfe von Büchern die Menschenähnlichkeit von Autoren, Figuren und Protagonisten durchgenommen wird. Zur üblichen Langeweile dieses Formats kommt diesmal noch eine bohrende Fremdscham.

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