Als ihm die Spielefirma Epic Games gefühlt aus dem Nichts und in Versalien eine Deadline setzte, war Martin Bosberg überrascht. Der Spielefan aus Hannover, der eigentlich anders heißt, habe zuvor mit einigen Klicks seinen Epic-Games-Account, der ihm Zugang zum firmeneigenen Onlineshop für PC-Spiele gewährt, löschen wollen, berichtet er. 14 Tage sollte es dauern, bis sein Konto abgeschaltet wird.
Kurz darauf aber meldete sich Epic Games – das ist auch die Firma hinter »Fortnite: Battle Royale« und der Unreal Engine – per E-Mail. »Aus Sicherheitsgründen« müssten einige Informationen überprüft werden, teilte der Player Support mit. »INNERHALB DER NÄCHSTEN 5 TAGE« solle Bosberg folgende Daten zur Verfügung stellen, sonst werde der Account nicht gelöscht:
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»Einen Screenshot deiner ältesten verfügbaren Quittung, die über dieses Epic-Games-Konto ausgestellt wurde«
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»IPv4-Adressen, mit denen du dich eingeloggt hast.«
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»Das Erstellungsdatum deines Epic-Games-Kontos«
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»Der ursprüngliche Benutzername des Kontos.«
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»Das Datum des letzten Log-ins«
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»Die Namen der Benutzerkonten, die du mit deinem Epic-Games-Konto verknüpft hast, und wann du sie verknüpft hast«
Martin Bosberg machte diese Nachricht wütend. »Wieso sollte ich denen jetzt noch IP-Adressen schicken?«, habe er sich gedacht, sagt er. Und: »Wo bitteschön kriege ich die Information her, wann ich mich zuletzt eingeloggt habe? Reicht es nicht, wenn ich über meine Mailadresse bestätige, dass der Account wirklich gelöscht werden soll?«
Nur die Gratisspiele mitgenommen
Laut eigener Aussage hat Bosberg im Epic Games Store nie Geld ausgegeben. Wie viele Millionen anderer Spielefans hat er sich einen Epic-Games-Account angelegt, um dort Gratisspiele abzustauben.
Epic Games ist in der Gamingwelt berühmt-berüchtigt dafür, den Nutzerinnen und Nutzern seines Stores im Wochen- und manchmal sogar im Tagestakt kostenlos Spiele zur Verfügung zu stellen: Titel wie »Civilization VI«, die anderswo und zu anderen Zeiten auch im Epic Games Store selbst Geld kosten. Allein 2020 verschenkten die »Fortnite«-Macher über 100 Games.
Der Firma scheint es dabei um das Wachstum der Nutzerschaft zu gehen, darum, möglichst viele Spielerinnen und Spieler auf die eigene Plattform zu holen, als eine Art Wette auf die Zukunft. Ansonsten jedenfalls geht die Geschenkstrategie kaum auf: Die Nutzerzahl des Epic Games Store stieg im vergangenen Jahr zwar von 108 auf 160 Millionen, zugleich gab es aber trotz des Gamingbooms in der Coronakrise nur ein Umsatzplus von drei Prozent. Es scheint also nicht so, als würden neue Store-Nutzerinnen und -Nutzer allzu viel Geld ausgeben.
Soll das Löschen erschwert werden?
Vor diesem Hintergrund wirkt es ehrenwert, dass Epic Games offenbar selbst bei Nutzern, die nie etwas gekauft haben, sichergehen will, dass ein Löschwunsch wirklich von ihnen ausgeht. Denn natürlich wäre es ärgerlich, wenn man seine komplette Spielesammlung verliert, nur weil jemand den eigenen Account gehackt hat, wie es etwa in der »Fortnite«-Szene öfter vorkommt.
Aber geht es Epic Games wirklich nur um den Kunden? »Ich hatte eher das Gefühl, man wolle mir das Löschen meines Kontos so schwer wie möglich machen«, sagt Martin Bosberg, »um so die Nutzerzahl künstlich hochzuhalten.« Ein schwerwiegender Verdacht, den Bosberg ein Stück weit selbst relativiert: Mit derselben E-Mail-Adresse habe er zuvor schon einmal einen Account gehabt, erinnert er sich. Und beim ersten Mal habe er sein Konto noch problemlos löschen können.
Epic Games betont auf eine SPIEGEL-Anfrage hin, dass eine »zusätzliche Verifizierung« beim Accountlöschen dann angefordert werde, wenn der Verdacht besteht, dass ein Konto möglicherweise kompromittiert sei. »Auf diese Weise stellen wir sicher, dass es der Kontobesitzer ist, der die Löschung beantragt hat.« Die Mehrheit der Accountlöschungen werde aber automatisch bearbeitet.
Wer etwas gekauft hat, soll noch mehr Daten liefern
Der einzige, der Epic Games zum Abschied Informationen wie IP-Adressen schicken soll, ist Martin Bosberg aber auch nicht. Vergleichbare Nachrichten des Supports lassen sich zum Beispiel bei Reddit finden. Wie die englischsprachige Variante der Nachricht enthält auch die deutsche, die an Martin Bosberg ging, einen Passus für den Fall, dass jemand doch schon für Spiele bezahlt hat.
Für einen solchen Fall fragt der »Player Support« vom Nutzer noch weitere Daten an:
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»Die letzten 4 Ziffern der zuerst für dieses Konto verwendeten Kreditkarte«
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»Die Orte (Stadt, Bundesland/Region), von denen aus du Käufe über das Konto durchgeführt hast«
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»Die Rechnungsnummer oder Transaktionskennung deines Kaufs bei Epic Games«
Epic Games löscht die Daten wieder
Auf eine SPIEGEL-Nachfrage, ob für eine Verifizierung wirklich all diese Daten nötig sind oder ob die Beantwortung einiger Fragen reicht, heißt es von Epic Games, dazu verrate man keine Einzelheiten, »um den Verifizierungsprozess zu schützen«. Die Spielefirma stellt aber klar, dass die geschickten Informationen 28 Tage nach Abschluss des Supports-Tickets, also beispielsweise nach Ende des E-Mail-Dialogs mit dem Kunden, gelöscht würden.
Martin Bosberg hat sich letztlich dagegen entschieden, Epic Games die gewünschten Daten zur Verfügung zu stellen. Er habe sein Konto trotz der vielen Spielegeschenke loswerden wollen, sagt er, weil es ihm Sorgen bereitet habe, dass das chinesische Unternehmen Tencent beträchtliche Anteile an Epic Games hält.
Als Reaktion auf zwei aufgebrachte Antworten an den Player Support, in denen er diese Begründung jedoch nicht anführte, erhielt Bosberg eine Nachricht mit dem Text »Willkommen zurück!«: »Dein Antrag auf Löschung deines Kontos wurde zurückgezogen.«
Praktisch, so erzählt es Bosberg, sei er seitdem aus seinem Konto ausgesperrt. Bei Log-in-Versuchen bekomme er nur eine Fehlermeldung: »Dein Konto ist derzeit inaktiv.«
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