Mit NIAC fördert die Nasa jedes Jahr Projekte zwischen neuer Technik und schlechter Science Fiction. Ein Überblick.
Jedes Jahr gibt die Nasa 16 Projekten eine Summe von je 125.000 US-Dollar, um neue Konzepte zu untersuchen. Ein Überblick über die letzte Woche vorgestellten Nasa Innovative Advanced Concepts (NIAC) von 2021 zeigt Konzepte, die von kurzfristig umsetzbarer realistischer Technik bis zu unrealistischen Visionen mit offensichtlichen Schwächen reichen. Aber in allen Fällen zeigen sie, woran die US-Raumfahrtbehörde interessiert ist.
Der Autonomous Robotic Demonstrator for Deep Drilling ist ein verbesserter Mars-Maulwurf. Anders als beim HP3-Instrument von Mars Insight soll beim Bohren mit einer Kettenraupe an den Seiten des Bohrers gegen die Wände des Bohrlochs gedrückt werden. Das würde zuverlässig die zum Graben nötige Reibung erzeugen. Quinn Morley von Planet Enterprises, der das Projekt eingereicht hat, hofft auf eine Mission zum Südpol des Mars mit Bohrtiefen von 20 bis 50 Meter.
Das Projekt Scatter (Sustained Cubesat Activity Through Transmitted Electromagnetic Radiation) von Sigrid Close der Universität Stanford, soll den Einsatz von Cubesats im äußeren Sonnensystem ermöglichen. Die Cubesats sollen eine größere Sonde unterstützten und etwa lokale Unterschiede im Magnetfeld messen. Ihre Solarzellen sollen ihren Strom nicht mit Sonnenlicht erzeugen, sondern mit Lasern, die von der Hauptsonde erzeugt werden.
Ein Kletterroboter für den Mars und Bodenradar für den Mond
Passively Expanding Dipole Array for Lunar Sounding (PEDALS) von Patric McGarey vom Jet Propulsion Laboratory der Nasa (JPL) ist ein mögliches Bodenradar für den Mond, das auf der Oberfläche landet und vier 100 bis 200 Meter lange Radar-Antennen ausrollt. Mit dem Radar könnte die Bodenzusammensetzung mehrere Kilometer tief untersucht werden.
Das Regolith Adaptive Modification system (RAMs) von Sarbajit Banerjee der Texas A&M University soll mit einfachen Mitteln Strukturen auf der Mondoberfläche verankern. Dazu wird eine Mischung aus Termit und Siloxan verwendet. Bei der chemischen Reaktion entstehen Eisen und ein Polymer, die beispielsweise Landeplattformen auf der Oberfläche verankern können.
Mit Reachbot von Marco Pavone von der Stanford University soll die grundlegende Technik für einen möglichen Kletterroboter zur Erforschung von Höhlen und Klüften auf dem Mars entwickelt werden. Er soll ausfahrbare Stäbe und Motoren benutzen, um sich fortzubewegen.
Kilometergroße Raumstationen und der Ponyexpress für den Mars
Zachary Manchester will in der Carnegie Mellon University demonstrieren, wie eine einzige Rakete der Größe einer Falcon Heavy eine 1 bis 2 Kilometer große Struktur ins Weltall bringen könnte. Sie soll dort in Drehung versetzt werden und künstliche Schwerkraft erzeugen.
Im JPL soll der Solar System Pony Express von Joshua Vander Hook das Problem der schlechten Datenverbindung zwischen Raumsonden im Marsorbit und der Erde lösen. Eine Raumsonde soll zwischen Mars und Erde pendeln und mit Laserübertragung jeweils 1 bis 3 Petabit an Forschungsdaten aufnehmen und wieder abgeben können.
Amelia Greig von der Universität Texas in El Paso will Ressourcen auf dem Mond mit kompakten Anlagen nutzen, indem Mondgestein mit einem Lichtbogen verdampft wird und die ionisierten Bestandteile durch Magnetfelder voneinander getrennt werden. Zunächst soll sich das Experiment auf die gleichzeitige Gewinnung von Wasser, Silizium und Nickel konzentrieren. Anschließend sollen die Ergebnisse mit anderen Techniken mit ähnlichem Ziel verglichen werden.
Fische für die Jupitermonde und Proben vom Saturnmond
Swim sind kleine, fischähnliche Roboter, die Ethan Schaler am JPL (Jet Propulsion Laboratory) benutzen will, um mögliche Ozeane in vielen Kilometern Tiefe der Eismonde des Jupiter untersuchen zu können. Dazu muss aber zuerst eine Sonde auf dem Mond landen und bis zu flüssigem Wasser durchbohren.
Steven Oleson vom Glenn Research Center der Nasa will untersuchen, ob Proben vom Saturnmond Titan gewonnen und zur Erde zurückgebracht werden können. Der Treibstoff für die Rückkehr soll auf dem Mond selbst gewonnen werden, dessen Atmosphäre zu großen Teilen aus Methan besteht.
Der notwendige Sauerstoff, der schwerste Anteil am Raketentreibstoff, müsste wohl aus Wassereis hergestellt werden. Woher die Energie dafür kommt, schreibt Oleson nicht, aber ein kompakter Kernreaktor wie Kilopower könnte sie liefern. Die technologischen Voraussetzungen der anderen Projekte sind dagegen viel spekulativer und einige werden auch gefördert, obwohl sie offensichtlich technisch nicht gut durchdacht sind.
Farview von Ronald Polidan von Lunar Resources Inc. soll ein Radioteleskop für Frequenzen von 5 bis 40 MHz auf der Mondrückseite sein. Es soll angeblich fast ausschließlich durch Nutzung lokaler Ressourcen des Mondes gebaut werden, inklusive Energieerzeugung und -speicherung. Bislang fällt es aber schwer, selbst einfachste Materialien mit Mondgestein zu erzeugen, so dass solche Pläne unrealistisch wirken.
Mit Lightbender von Charles Taylor am NASA Langley Research Center soll am Mondsüdpol mit einem großen Spiegel und Fresnel-Linsen Sonnenlicht umgelenkt werden, um auch im dauerhaften Mondschatten Strom mit Solarzellen zu erzeugen. Die Reichweite beträgt nur einen Kilometer, aber angeblich ist die Stromversorgung mit Stromkabeln fünfmal so schwer - obwohl beim Empfänger nur ein Fünftel des umgelenkten Lichts übrigbleibt. Wie eine vergleichbar hohe Zuverlässigkeit erreicht werden soll, schreibt er auch nicht.
Ethan Schaler von Swim hat auch Förderung für ein zweites Projekt bekommen: Flexible Levitation on a Track. Eine Art Transrapid-System soll Materialtransport auf dem Mond ermöglichen. Dabei sollen Roboter langsam auf einem Magnetfeld gleiten. Der Vorteil soll sein, dass so keine Mechanik von Mondstaub beeinträchtigt wird. Warum die Roboter nicht mit einfachen Rädern auf der nun mondstaubfreien Strecke fahren können, bleibt unklar.
Warum einfach, wenn es auch komplizierter und radioaktiver geht?
Joseph Nemanick von The Aerospace Corporation schlägt mit Atomic Planar Power for Lightweight Exploration vor, eine große, flache Radioisotopenbatterie in Kombination mit einem strahlungsresistenten Akku für Raumsonden zu entwickeln. Der Vorschlag ist physikalisch wenig sinnvoll, da die große Fläche zu einer niedrigen Temperatur und noch schlechterer Effizienz führt. Die angedachte Missionsdauer ist so kurz, dass klassische Radioisotopenbatterien mit Stirlingmotoren laufen könnten - mit der 4-5fachen Effizienz. Außerdem muss der Akku weniger strahlungsresistent sein, wenn er von den radioaktiven Bestandteilen der Radioisotopenbatterie getrennt wird.
Eine nicht durchdachte Anwendung einer Hochleistungs-Radioisotopenbatterie schlägt auch Christopher Morrison von USNC-Space vor, sie soll eine Raumsonde für ein Rendezvous mit interstellaren Kometen wie 2I/Borisov antreiben. Sie soll pro Kilogramm die 30-fache Leistung von Plutonium-238 liefern. Damit ist der Stoff notwendigerweise beim Start 30-mal so radioaktiv und verliert 30-mal so schnell an Leistung. Diese Tatsachen finden in dem Vorschlag keine Erwähnung, dafür wird die im Vergleich zu Kernreaktoren niedrige Komplexität des Vorschlags gelobt. Die Reaktoren können mit einem Bruchteil der Radioaktivität beim Start ähnliche Leistung über längere Zeit erbringen.
Obwohl über die genaue Zusammensetzung von Asteroiden noch nichts bekannt ist, will Jane Shevtsov von der Trans Astronautica Corporation schon jetzt Muttererde mit Hilfe von Pilzen aus dem Material von kohlenstoffreichen Asteroiden gewinnen. Die Muttererde soll Landwirtschaft in riesigen Weltraumhabitaten im Asteroidengürtel möglich machen.
Einige der Projekte wären in der seit neun Jahren bestehenden Kollaboration der Nasa mit dem für Science Fiction bekannten Verlag Tor Books besser aufgehoben gewesen. In der Science Fiction können Aspekte wie viel zu starke Radioaktivität, unzuverlässige Stromversorgung oder unverhältnismäßig großer Aufwand ignoriert werden. Aber bei NIAC gehen mit jedem der offensichtlich unrealistischen oder aus technischen Gründen unvernünftigen Projekte gleichzeitig 125.000 US-Dollar für die Förderung seriöser Projekte verloren. Aber auch das ist Teil der Realität bei der Nasa.
https://ift.tt/3kG2aUu
Wissenschaft & Technik
Bagikan Berita Ini
0 Response to "Raumfahrt: Die Nasa sucht die Zukunftsvisionen der Raumfahrt - Golem.de - Golem.de"
Post a Comment