Mit Razers smarter Brille Anzu sollen wir nicht nur Musik hören, sondern auch entspannter auf unseren Monitor schauen. Die Betonung liegt auf "sollen".
Mit der Anzu in einem Videocall zu sitzen, ist eine Herausforderung - besonders für die übrigen Teilnehmer. Razers Brille mit eingebauten Kopfhörern, Mikro und speziellen Blaufiltergläsern sorgt aufgrund ihrer schieren Größe für Heiterkeit: Besonders das große Modell sieht aus wie die Brille eines Nerd-Clowns.
Die Zielgruppe der Anzu sind Nutzer, die viel am Bildschirm arbeiten - explizit erwähnt der Hersteller das momentan weit verbreitete Homeoffice. Dem Thema Gaming widmet sich Razer mit der Anzu hingegen eher nicht. Wir haben uns die Brille vor dem Verkaufsstart genauer angesehen und vor allem hindurchgeguckt und zugehört. Die Soundqualität ist trotz des offenen Lautsprecherkonzeptes gut, vom Nutzen des Farbfilters sind wir allerdings nicht überzeugt. Und damit wackelt das gesamte Konzept.
Die Anzu sieht auf den ersten Blick wie eine normale Brille und ist mit runden oder eckigen Gläsern erhältlich. Lediglich die Bügel verraten, dass in der Brille mehr steckt. Standardmäßig hat die Anzu klare Gläser eingebaut, die 35 Prozent des blauen Lichtes herausfiltern; durch den Blaufilter sollen Nutzer auch längere Zeit vor einem Monitor arbeiten können und dabei ihre Augen weniger anstrengen.
Blaufiltergläser raus, Sonnenbrillengläser rein
Die Anzu ist zudem auch als Sonnenbrille nutzbar: Im Lieferumfang enthalten sind Wechselgläser mit UV-A- und UV-B-Filter, die 99 Prozent der UV-Strahlen blockieren und polarisiert sind. Die Gläser lassen sich leicht aus der Brille drücken und austauschen. Nach dem Tausch müssen wir sie etwas drehen, um einen festen Sitz ohne klappernde Geräusche zu gewährleisten.
Klappen wir die Bügel der Anzu auf und setzen die Brille auf, meldet sich eine Stimme aus den in den Bügeln untergebrachten Lautsprechern. Auf jeder Seite ist ein 16-mm-Driver verbaut, der das Ohr von außen bespielt. Dadurch bleiben die Ohren frei und wir können hören, was um uns herum passiert. Die Klangqualität ist für ein derartiges offenes Konzept gut, allerdings weniger druckvoll als der Klang eines guten In-Ear- oder Over-Ear-Kopfhörers. Von außen sind übertragene Audioinhalte mitunter deutlich wahrnehmbar.
In der Anzu-App können wir das Soundprofil in Richtung der Höhen verstellen, was für manche Unterhaltungen gut ist, für Musik hingegen gar nicht. Razer zufolge sollen sich Gesprächspartner in Videochats so anhören, als stünden sie im Raum - ein Eindruck, den wir nicht bestätigen können.
Razer begründet das Open-Ear-Konzept damit, dass viele der im Homeoffice arbeitenden Menschen lieber mehr von der Umgebung mitbekommen wollen - etwa das Türklingeln oder Fragen der Kinder im Homeschooling. Unser Eindruck ist da eher ein anderer, letztlich kommt es aber natürlich immer auf die persönliche Situation an. Wir schätzen es, wenn wir uns in bestimmten Situationen mit ANC-Kopfhörern von der Außenwelt und ihren Geräuschen abschotten können.
Der Fairness halber sei gesagt, dass dies mit der Anzu auf der Nase durchaus möglich ist, da wir natürlich zusätzlich Kopfhörer aufsetzen können. Ein Argument für ein solches Szenario wäre, dass Nutzer dann weiterhin die Brille mit ihren Blaufilter-Gläsern tragen könnten. An dieser Stelle beginnt für uns das Konzept der Anzu aber zu wackeln.
Der Farbfilter beim Tragen der Brille ist wahrnehmbar, wir sehen unsere Umgebung in wärmeren Farben; wir erkennen aber im Arbeitsalltag vor dem Rechner keinen Sinn darin, für diese Funktion extra eine Brille aufzusetzen. Sowohl unter Windows als auch MacOS als auch den verbreiteten Linux-Desktops ist es möglich, die angezeigten Inhalte wärmer anzeigen zu lassen. Damit kommen wir zum gleichen Ergebnis, ohne eine mit knapp 50 Gramm auf Dauer doch merklich schwere Brille zu tragen.
Sprachqualität ist mit vielen Headsets besser
Angesichts der von unseren Gesprächspartnern als nicht sonderlich gut bewerteten Sprachqualität über das eingebaute Mikro der Anzu würden wir bei der Arbeit für Konferenzen eher ein Headset mit gutem Mikrofon und gutem Klang bevorzugen, wie es Razer selbst anbietet. Dazu würden wir unseren Bildschirm auf eine wärmere Farbwiedergabe stellen - für uns wäre dies das lohnendere Szenario, zumal wir Brillenträger sind.
In den USA hat Razer einen Online-Optiker als Partner gewinnen können, um der Anzu angepasste Linsen zu verpassen. Dies fehlt in Deutschland. Wer eine Brille mit Sehstärke trägt und die Anzu verwenden möchte, muss demnach Kontaktlinsen tragen oder sie zu einem Optiker bringen und hoffen, dass dieser passende Gläser einsetzen kann.
Gesteuert wird die Anzu über Touch-Felder, von denen jeweils eines an jedem Bügel angebracht ist. Mit der üblichen Steuerung aus einfachen, doppelten und dreifachen Tippgesten können wir Musikstücke auswählen, ans Telefon gehen oder den Sprachassistenten starten. Auch den Low-Latency-Modus mit einer Latenz von 60 ms können wir über eine Touchgeste aktivieren. Im Alltag können wir in den Situationen, in denen wir den Modus ausprobiert haben, zugegebenermaßen keinen Unterschied zur Latenz im normalen Modus erkennen.
Geladen wird die Anzu über ein USB-Kabel, das an zwei Kontakten an der Brille befestigt wird - jeweils an jedem Bügel. Die beiden Lautsprecher der Anzu funktionieren wie die Stöpsel von komplett drahtlosen Kopfhörern und werden auch in der App einzeln aufgeführt. Das führt bei unserem Modell manchmal dazu, dass Systemansagen der Brille mit minimalem Versatz zu hören sind - nicht aber Audioinhalte wie Musik oder Gespräche.
Der Akku reicht Razer zufolge für eine dauerhafte Nutzung von mindestens fünf Stunden aus. Klappen wir die Brille zusammen, schaltet sie sich automatisch aus und spart Akku. Aufgeklappt und ausgeschaltet lässt sich die Brille nicht verwenden.
Die Anzu von Razer kommt in Deutschland für 210 Euro in den Handel und wird bis Anfang April 2021 exklusiv im Onlineshop von Razer erhältlich sein. Getönte Ersatzgläser kosten 35 Euro. Im Lieferumfang sind ein gutes Kunstlederetui, ein Reinigungstuch, das Ladekabel und die Sonnenbrillengläser enthalten.
Die Anzu gibt es zudem noch in einer eckigen Variante. Beide Modelle sind jeweils in zwei Größen erhältlich.
Fazit
Razer ist es zugute zu halten, dass sich das Unternehmen in Zeiten von Homeoffice Gedanken darum macht, wie man mit entspannteren Augen vor dem Bildschirm arbeiten kann und gleichzeitig ohne Druck auf den Ohren Videotelefonate führen kann. Herausgekommen ist mit der Anzu eine gut verarbeitete und tendenziell unauffällige Kopfhörerbrille mit getönten Gläsern, deren Sinn wir am Ende aber trotzdem nicht ganz sehen.
Anstelle der getönten Gläser lässt sich bei allen geläufigen Betriebssystemen ein spezieller Augenschutzmodus aktivieren, der das gleiche Ergebnis bringt. Bei Videokonferenzen erhalten wir mit durchschnittlichen Headsets eine bessere Qualität bei der Sprachübertragung.
Zudem finden zumindest wir es praktischer, uns bei einem Onlinegespräch ohne störende Nebengeräusche auf unser Gegenüber konzentrieren zu können. Das ist mit der Anzu nicht möglich und auch nicht beabsichtigt. Türklingeln hin oder her, wir zweifeln daran, ob ein offener Kopfhörer fürs Arbeiten wirklich so praktisch ist.
Bleibt die Nutzung der Anzu als Sonnenbrille mit eingebauten offenen Kopfhörern, was etwa beim Fahrradfahren praktisch sein kann. Bei einem Preis von 200 Euro gibt es aber insbesondere für Brillenträger preiswertere Optionen - etwa ein Knochenschallkopfhörer, der zusätzlich zu einer vorhandenen Sonnenbrille getragen wird.
Am Ende werden wir das Gefühl nicht los, dass die Anzu schlichtweg am Markt vorbei entwickelt wurde. Razer versucht mit der Brille Probleme zu lösen, die es unserer Meinung nach für die meisten Nutzer nicht gibt. Mit 200 Euro ist sie zudem kein preiswertes Vergnügen - besonders wenn man das Geld für ein tolles ANC-Headset ausgeben könnte.
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