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Obst- und Gemüseanbau: Licht am Ende des Folientunnels - BR24

Früher waren die Farben der Landwirtschaft im Frühling braun und grün, heutzutage herrschen mancherorts schwarz und weiß vor: Kunststofffolien bedecken die Äcker. Ob auf den Spargelfeldern um Abensberg in Niederbayern, den Erdbeerfeldern in Mittelfranken oder der Obstregion Bodensee, überall ist Plastik im Einsatz. Als Vliese, Netze oder Folien. Tendenz steigend.

Eintrag von Mikroplastik ist ein Problem

Nach der Ernte verbleibt viel Plastik im Boden. Jährlich etwa zwischen 6.000 bis 22.000 Tonnen, laut einer aktuellen Studie des Umweltbundesamtes (UBA). Teils, weil verschmutzte Folien nicht ordnungsgemäß entsorgt werden oder eben durch Abrieb, Verschleiß oder Vandalismus auf den Feldern.

Wenn Plastikteilchen einmal in den Boden eingetragen werden, dann bleiben sie dort. "Es gibt erste Studien, die darauf hindeuten, dass diese Plastikpartikel negative Auswirkungen auf die Bodenorganismen haben", sagt Michael Jedelhauser vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu), "zum Beispiel auf die Regenwürmer oder ganz generell auf die Bodenstruktur. Und dann natürlich Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum." Im nächsten Schritt könnte das auch wieder auf die Landwirtschaft zurückfallen, indem beispielsweise Ernteerträge geringer werden.

Besonders im Gemüsebau: Folien bringen Wettbewerbsvorteile

Auch wenn Folien schon seit den 1950er-Jahren beim Spargelanbau eingesetzt werden, waren sie doch bis vor 20 Jahren die Ausnahme. Heute ist es eher die Regel, Silage- und Stretchfolien sowie Rundballennetze, Pressgarne oder Ernteverfrühungshilfen einzusetzen.

Weit über 80.000 Tonnen Plastik dürften jährlich in Deutschland im Bereich Landwirtschaft eingesetzt werden. Das bestätigt auch die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen. Dass in der Landwirtschaft immer häufiger Plastik im Einsatz ist, hat vor allem Wettbewerbsgründe. Wir Verbraucher sind daran nicht ganz unschuldig.

Pro und Contra Folieneinsatz

Hersteller und Landwirte stellen natürlich gerne die Vorteile der Folien heraus. "Zum Beispiel brauchen wir durch den Einsatz von Kulturschutznetzen gegen Schädlinge und auch durch das Abdecken des Bodens gegen den Eintrag und das Auflaufen von Unkraut wesentlich weniger beziehungsweise auch gar keine Pflanzenschutzmittel", sagt Franziska Rintisch, Referentin für Obst- und Gartenbau beim Bayerischen Bauernverband (BBV).

Gerade bei den Beerenfrüchten und auch bei Steinobst dienen Folien oder Netze auch als Schutz gegen Schädlinge wie die Kirschessigfliege. Die chemische Keule wäre nur unmittelbar vor der Ernte sinnvoll und ist daher nicht erlaubt. Oder sie helfen gegen den Erdfloh, der sich vorzugsweise über Kartoffeln, Brokkoli oder Auberginen hermacht. Kunststoffe können auch den Aufwand für die Bewässerung minimieren und halten die Feuchtigkeit im Boden.

Folienschutz fördert einheitliches Wachstum

Dass landwirtschaftliche Produkte nicht mehr Wind und Wetter ausgesetzt sind, kommt vor allem dem Handel sehr zupass. Früchte und Gemüse wirken sauberer und der Folienschutz fördert ein einheitliches Wachstum. "Bei Beerenfrüchten wie Himbeeren, Brombeeren, Erdbeeren, ist es so", stellt Franziska Rintisch vom BBV fest, "dass gerade auch der Handel teilweise nur noch Waren aus dem geschützten Anbau verlangt und annimmt. Sei es bio, sei es konventionell."

Folien extrem problematisch für Tierwelt

Aber kilometerlange Plastikfolien verändern natürlich auch das Bild der Kulturlandschaft. Außerdem gibt es gewisse Bereiche, in denen Umweltschützer den Einsatz von Folien extrem kritisch sehen. Zum Beispiel beim Spargelanbau in Naturschutz- oder Vogelschutzgebieten, also in ökologisch äußerst sensiblen Abschnitten. "Da beobachten wir, dass dieser großflächige Spargelanbau unter Folie für die Tierwelt extrem problematisch ist", sagt Michael Jedelhauser, Kreislaufwirtschaftsexperte vom Nabu. "Vögel finden im Frühjahr keine Mäuse, keine Amphibien, keine größeren Insekten unter diesen Folienwüsten." Beim Nabu plädiert man daher auch für eine Einschränkung des flächendeckenden Einsatzes von Folien in solchen Gebieten.

Im Wettbewerb mit europäischen Bauern

In erster Linie bringt der Einsatz von Folien aber Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz aus südlicheren Ländern wie Spanien oder Italien. "Wir verlängern da natürlich die Saison von regionalen Produkten von einheimischer Ware. Ganz klar", sagt Franziska Rintisch vom BBV. "Transportwege von 1.000 oder 2.000 Kilometern versus Thermo- oder schwarzen Folien auf den bayerischen Feldern, die Wärmeabstrahlung reduzieren und dadurch die Bodentemperatur erhöhen. Und machen wir uns nichts vor: In Spanien oder Italien wird genauso mit Folientunneln, Netzen oder Vliesen gearbeitet."

Die frühe Ernte bringt das Geld

Auch im bayerischen Inchenhofen, zwischen Schrobenhausen und Aichach, beginnt – dank Folien – die Saison schon früh. Georg Lohner, mit seinem Bruder Josef, flächenmäßig einer der größten Spargelbauern Deutschlands, arbeitet mit schwarz-weiß Folie: "Einmal können wir mit der schwarzen Seite Wärme in den Boden bringen, dass die Ernte früher losgeht und auf anderen Flächen wird die Seite gedreht, dass die Ernte später losgeht." Tausend Kilometer Lochfolie sorgen so, auf mehreren hundert Hektar, für eine optimale Ausbeute bis zum Johannistag am 24. Juni, dem traditionellen Ende der Spargelsaison. Und vor allem der frühe deutsche Spargel wie auch die ersten Erdbeeren von deutschen Feldern lassen sich besonders teuer verkaufen.

"Natürlich könnte man jetzt sagen, wir verzichten von heute auf morgen auf den Einsatz von Folien in der Landwirtschaft in Deutschland", sagt Michael Jedelhauser vom Nabu, "aber gleichzeitig sehe ich dann die Gefahr, dass stattdessen das Gemüse etc. einfach aus dem Ausland importiert wird, weil es dann in Deutschland regional, zu bestimmten Jahreszeiten, eben nicht mehr verfügbar ist." Das bedeutet auch, wenn man über die Notwendigkeit von Folien in der Landwirtschaft diskutieren möchte, müssen sich die Konsumenten auch ganz ehrlich fragen, zu welcher Jahreszeit sie welches Gemüse im Supermarkt erwarten. Denn aus dem Wunsch der Verbraucher, jederzeit alles verfügbar zu haben, ergeben sich dann auch betriebswirtschaftliche Zwänge für den Landwirt.

Biologisch abbaubare Folien - zu große Erwartungen?

Alternativ zu den meistverwendeten Polyethylen-Folien (PE), aus der endlichen Ressource Erdöl, gibt es zwei Alternativen auf dem Markt. Zum einen biobasierte Folien, die aus nachwachsenden Rohstoffen, wie etwa Zucker oder Polymilchsäuren (kurz PLA) hergestellt werden. Der Vorteil: Sie sind genauso widerstandfähig und lassen sich ebenso gut recyceln wie herkömmliches Plastik. Der Nachteil: Biobasierte Folien sind auch genauso langlebig wie PE-Folien und können somit ebenfalls als Mikroplastik im Boden verbleiben. Folien aus nachwachsenden Rohstoffen sind außerdem sehr teuer und werden daher in der Landwirtschaft kaum eingesetzt.

Zum anderen gibt es abbaubare Folien für den Anbau, die sich nach der Ernte unterpflügen lassen. Derzeit allerdings fast nur als schwarze Mulch-Folien. "Das macht vor allem dann Sinn, wenn man eine dünne Folie verwenden will", sagt Hasso von Pogrell, Geschäftsführer von European Bioplastics (EUBP), "denn das ist das große Problem bei den konventionellen Folien, dass oft zu dünne Folien verwendet werden, die dann nach Ablauf der Saison nicht mehr eingesammelt werden können." Und Teile davon im Ackerboden verbleiben. Und zwar für die nächsten paar hundert Jahre, irgendwann fein zerrieben als Mikroplastik.

Auch Landwirt Georg Lohner aus dem Landkreis Aichach-Friedberg verwendet abbaubare Folie aus Maisstärke. Allerdings nicht für seinen Spargel, sondern für seine Kürbisse: "Man hat einen Vorteil, man muss kein Plastik aufziehen. Man muss nicht entsorgen und hat den gleichen Effekt. Also bei dieser Kultur."

Plastikschnipsel im Acker

Grundsätzlich wäre eine biologisch abbaubare Folie natürlich die Lösung. Sie schützt und wärmt, wenn sie soll und löst sich in Wohlgefallen auf, sobald sie nicht mehr gebraucht wird. In der Praxis sieht das allerdings oft etwas anders aus, sagt Franziska Rintisch, Referentin für Obst- und Gartenbau beim BBV: "Ich habe nach dem Pflügen auch wieder Schnipsel. Die Folie ist ja dann nicht auf einmal weg." Das braucht eben seine Zeit, hält Hasso von Pogrell vom europäischen Bioplastikverband dagegen. Schließlich müssen die abbaubaren Folien, materialwissenschaftlich, viel leisten: "Die sind extra zertifiziert dafür, dass sie im Boden abbauen. Das sind natürlich sehr viel schwerere Bedingungen als in einer industriellen Kompostieranlage, wo sie eine hohe Temperatur und hoher Luftfeuchtigkeit haben. Das heißt, diese Folien müssen noch höhere Anforderungen erfüllen als eine kompostierbare Plastiktüte." Nach einem Jahr sei alles weg, verspricht er.

In einem sind sich Landwirte und Umweltschützer einig. Es braucht in diesem Bereich noch viel Forschung und zumindest langfristig auch praktikable Lösungen für weitere landwirtschaftliche Einsatzgebiete.

Das Mittel der Wahl: Recycling

Wichtig, vor allem bei den stärkeren Folien, die gerade beim Spargel verwendet werden, ist Langlebigkeit. Bis zu zehn Jahre kann hier eine Folie im besten Fall durchhalten, anschließend muss sie entsorgt werden. Das ist Aufgabe der Landwirte. Bis vor wenigen Jahren wurden die Plastikfolien verbrannt, also "thermisch verwertet".

Die Erntekunststoffe Recycling Deutschland – kurz ERDE – hat ein Recyclingkonzept entwickelt. In knapp 500 bundesweiten Abgabestellen und auch über mobile Sammlungen können alte Folien von den Landwirten abgegeben werden. Um einen Anreiz zu schaffen, subventionieren die Hersteller der Folien das System: "Im Mittel zahlen Sie 100 Euro pro Tonne, aber in der Verbrennung 150 bis 200 Euro pro Tonne", erklärt Lorena Fricke von ERDE Recycling. "Wir haben da relativ große Kosteneinsparungen für die Bauern realisieren können." Im Bereich Silo- und Stretch-Folie sind bereits 85 Prozent der Folien, die im deutschen Markt sind, für ERDE lizenziert.

Allerdings ist für Landwirte das Recycling noch freiwillig. Daher plädiert insbesondere der Naturschutzbund Deutschland auch für eine erweiterte Herstellerverantwortung im Bereich Recycling. "Ich finde, dieses Rücknahmesystem zeigt, dass es funktioniert. Deswegen spricht in unseren Augen eigentlich nichts dagegen, dieses Rücknahmesystem dann entsprechend bundesweit auszubauen und verpflichtend zu machen", sagt Kreislaufwirtschaftsexperte Michael Jedelhauser. "Das ist natürlich mit Kosten verbunden. Das kann in unseren Augen aber über die Hersteller der Folien finanziert werden."

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