Irgendwann muss ich mir mal erklären lassen, nach welchen Kriterien Motorola die Bezeichnungen für seine Smartphones vergibt. Aber vielleicht bin ich ja der Einzige, der es merkwürdig findet, dass der Konzern auf das Edge von 2020 nun das Edge 20 folgen lässt und die Nummern 2 bis 19 nonchalant überspringt.
Aber dafür gibt es das Edge 20 gleich dreimal.
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Nämlich als Edge 20, laut Motorola »das dünnste 5G-Smartphone auf dem Markt«.
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Als Edge 20 Lite »zu einem äußerst attraktiven Preis«.
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Und als Edge 20 Pro, von dem der Hersteller sagt, es habe »das erste Teleobjektiv im Periskop-Stil«.
Zumindest diese Aussage sollte man mit Vorsicht genießen. Es mag ja sein, dass Motorola zum ersten Mal ein Teleobjektiv per Periskop in einem Smartphone unterbringt, aber Huawei hat das 2019 schon mit dem P30 Pro vorgemacht.
Besser auf Automatik: der Bildschirm
Das Design des Edge 20 Pro ist, sagen wir mal, unaufregend. Der Bildschirm liegt flach auf dem Gehäuse, das von einem Metallrahmen eingefasst wird. Auf der Rückseite sind die Ränder leicht gebogen, der Rücken mehrschichtig lackiert, sodass ein Schimmern zustande kommt. Das sieht ganz hübsch aus, ist derzeit aber auch nichts Besonderes. Viele Hersteller versuchen ihren Geräten mit Mehrschichtlackierungen einen edlen Look zu geben. Motorola ist da keine Ausnahme.
Das Edge 20 Pro (Mitte), das Edge 20 Lite (rechts) und das Edge 20 (links)
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGELEine erfreuliche Ausnahme ist dagegen der Bildschirm, der auf gewaltigen 6,7 Zoll 2400 × 1080 Pixel darstellt. Damit ist er fein genug, um auch kleine Details anzuzeigen, und zugleich zu groß, um ihn einhändig zu bedienen. Selbst mit meinen langen Fingern klappt das nicht. Aber so ist das eben: Entweder sind die Hände zu klein oder das Smartphone zu groß. Wer ein XL-Handy haben möchte, muss den großen Bildschirm mit Verrenkungen der Hände bezahlen.
Der Bildschirm: groß, schön, schnell
Foto: Matthias Kremp / DER SPIEGELAbgesehen davon, dass er groß ist, stellt der Bildschirm das Scrollen auf Webseiten und schnelle Spiele mit augenfreundlichen 144 Hertz (Hz), also ruckelfrei, dar. Weil das den Akku stark beansprucht, sollte man die Display-Aktualisierungsrate in den Einstellungen automatisch regeln lassen. So schaltet das Gerät auf sparsame 60 Hz zurück, wenn der Highspeed-Modus nicht benötigt wird. Der Bildschirm ist damit, und weil er das für Filme wichtige HDR10+ beherrscht, gut, aber nicht herausragend.
Im Automatikmodus hielt das Edge 20 Pro in meinem Akkutest 14 Stunden durch, ebenso lange wie das billigere Edge 20 und Samsungs Galaxy S21. Das Edge 20 Lite schaltete sich schon nach 12,5 Stunden ab.
Eine Kamera wie im U-Boot
Auf der Vorderseite hat das Edge 20 Pro eine 32 Megapixel Selfie-Kamera, im Rücken stecken drei Kameras: Die Weitwinkelkamera protzt mit 108 Megapixeln, die in Neunergruppen zusammengefasst werden, sodass Schnappschüsse mit 12-Megapixeln herauskommen. Die Ultraweitwinkelkamera hat 16 Megapixel, ein Sichtfeld von 119° und kann für extreme Nahaufnahmen zum Makro umgeschaltet werden. Und dann ist da natürlich noch die Telekamera, die quer im Gerät liegt und über ein Periskop samt Prisma nach draußen schaut.
Vor allem die Makrofunktion für Nahaufnahmen von kleinen Dingen hat es mir dabei angetan. Einzigartig ist diese Fähigkeit freilich nicht. Das Vivo X60 Pro kann das auch, ohne dafür irgendwo »Makro« draufzuschreiben.
Die übrigen Kameras leisten bei gutem Licht gute bis sehr gute Arbeit (siehe Fotostrecke), auch die Telekamera. Motorolas Versprechen »mit dem 50x-Super-Zoom fängst du selbst weit entfernte Details ein«, sollte man mit einer Prise Humor nehmen. Zwar kann man tatsächlich einen 50-fachen Vergrößerungsfaktor auswählen und, vorzugsweise mit Stativ, auch fotografieren, spätestens nach dem harten Eingreifen der Fotosoftware, bleiben vom Motiv aber meist nur wenige Details übrig. Bis zum Faktor 10 kann man das Tele gut benutzen, was darüber hinausgeht, ist zum überwiegenden Teil das Ergebnis mathematischer Berechnungen.
Im Test patzte das Edge 20 Pro gelegentlich auch beim Weißabgleich, stellte seine Farben zu kalt ein, sodass die Bilder bläulich wirken. Ein iPhone 12 Pro Max, das allerdings fast doppelt so viel kostet, macht das besser.
Auch mal ein PC sein
Mit der »Ready For«-Technik will Motorola das Handy zum PC-Ersatz machen. Ich hatte das vor ein paar Monaten schon mit dem Moto G100 ausprobiert. Auf dem Edge 20 Pro funktioniert das System im Grunde genau wie beim damaligen Test, nur nervt hier kein Lüfter, weil Motorola bei diesem Modell keine Dockingstation mitliefert, die gekühlt werden muss.
Stattdessen braucht man einen Monitor mit USB-C-Anschluss, der das Handy mit Strom versorgt, während man es als Mini-PC verwendet. Dann aber wird es zu einer Art Android-Computer. Auf dem 24-Zoll-Monitor, den ich für den Test benutzt habe, konnte ich problemlos Streamingdienste nutzen, Android-Spiele spielen und Texte schreiben – nachdem ich eine Bluetooth-Tastatur mit dem Edge 20 Pro gekoppelt hatte. Für alles, was man mit Büro-PCs im Alltag tut, dürfte das ausreichen.
Fazit
Beim Edge 20 Pro hat Motorola viel richtig gemacht: Der Bildschirm ist gut, der Prozessor allemal schnell genug, die Kameras leisten gute Arbeit. Immer wieder erwähnenswert: Das Android-Betriebssystem übernimmt das Unternehmen ohne Veränderungen von Google, so ist es leichter, Updates anzupassen.
Was dem Edge 20 Pro fehlt, sind eine kabellose Ladefunktion, die Möglichkeit, elektronische SIM-Karten, sogenannte eSIMs, zu nutzen und ein aufregendes Design. Ein großes Minus gibt es dafür, dass es nur nach IP52 zertifiziert ist, also zwar gut gegen Staub, aber nicht gut gegen Wasser geschützt ist. Auch wenn es nach mehr strebt, bleibt es damit in der Mittelklasse.
Alternativen sind damit beispielsweise Motorolas eigenes Moto G100, das fast 300 Euro weniger kostet, und das Vivo X60 Pro.
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