Am Ende des »Epilogue« betitelten YouTube-Videos, mit dem sich Daft Punk am Montag überraschend verabschiedeten, stilisieren sich die beiden Musiker einmal mehr als Roboter. Der eine von ihnen zerspringt in tausend Stücke, der andere wandert in den Sonnenuntergang.
Es ist ein passender Abschied – kalkuliert und technisch auf der glänzenden Oberfläche, aber durchzogen von zutiefst menschlichen Gefühlen. Daft Punk sind Geschichte, aber diese Songs – mindestens – werden in Erinnerung bleiben.
»Da Funk«
Ein filmisches Monument ist Daft Punk schon lang gesetzt: In ihrem Film »Eden« von 2014 hat die französische Regisseurin Mia Hansen-Love den Moment verewigt, in dem auf einer Pariser Hausparty zum ersten Mal die kreischende Gitarre und dann der schleppende Beat von »Da Funk« erklingen. »Eden« dreht sich eigentlich um Hansen-Loves Bruder, der im Dunstkreis von Daft Punk auflegte, aber nie den Durchbruch erlebte. Doch als »Da Funk« ertönt, ist er für einen Moment unmittelbar dabei, wie Musikgeschichte geschrieben wird. »Pas mal«, sagt eine als »Wonder Woman« verkleidete junge Frau im Film zu dem Track. In der Tat, nicht schlecht. – hpi
»Around The World«
Dieses Stück schleicht sich an, so wie Daft Punk sich damals anschlichen. Dass großartige House Music aus Paris kam, das war seit Mitte der Neunziger klar. Aber dass Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo tatsächlich jenes Versprechen einlösen würden, dass die Dance Music in den Neunzigern antrieb, nämlich überall auf der Welt starfreie, tanzende Underground-Glückszonen zu errichten – dafür musste man erst dieses Video sehen: in dem eigentlich nichts passiert, außer dass ein paar Männer und Frauen in wunderschöner Choreografie tanzen. Zu einer Music, die die Ästhetik des Chicago House in einen Ohrwurm verwandelte: »Around the world, around the world!« – rap
»Burnin'«
Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude, und mit der arbeiten Daft Punk nirgendwo so gekonnt wie in »Burnin'«. Alles scheint auf einen Dancefloor-Knaller hinauszulaufen: Die gewischten Scratches, die den Track strukturieren, werden zügig schriller, die gezupften Gitarrensaiten pointierter, und die Bassline, die mit etwas Verspätung dazu stößt, drängelt sich sogleich in den Vordergrund. Doch der eigentliche Track materialisiert sich nie, er ist immer noch ein paar Takte weiter entfernt. Nach »Burnin'« will man von dem, was man nicht bekommen hat, nur noch mehr. – hpi
»One More Time«
In dem Song »Losing My Edge«, der von einem alternden Hipster handelt, der den Internet-Kids erzählt, dass er überall dabei war, wo sich Legendäres tat in der Popgeschichte, ruft Sänger James Murphy irgendwann: »I was the first guy playing Daft Punk to the rock kids! I played it at CBGBs! Everybody thought I was crazy!«. Und es ist ja wirklich eine lustige Pointe der Daft-Punk-Historie, dass sie auf ihrem ersten Album zwar klangen wie House aus Chicago, das aber in den USA nicht viele Leute interessierte. Erst mit »One More Time« wurden sie dort zu Stars, wobei »One More Time« wiederum auch eine Art Abgesang auf europäische Dance-Kultur der Neunziger ist. Komm, einer geht noch!, rufen Daft Punk im Spätherbst 2000, als es mit dieser Musik eigentlich vorbei war. – rap
»Digital Love«
Die Popgeschichte steckt voller Songs, die im Spannungsfeld zwischen Computerstimmen und romantischen Gefühlen stattfinden. Mit »Clouds Across the Moon« von der Rah Band oder Kraftwerks »Computer Liebe« halten Daft Punk hier locker mit: Die wunderbare Keyboard-Akkordfolge voller Sehnsucht, der an Supertramp angelehnte Mittelteil, die Vocoderstimme, die zu dieser Spielfreude nur sagen kann: »Why don't you play the game«. Es war der Zeitpunkt in Daft Punks Karriere, an dem sie bewiesen, dass sie geradezu klassisch strukturiertes Songwriting beherrschen. – feb
»Harder, Better, Faster, Stronger«
Die vierte Single vom »Discovery«-Album ist einer der einflussreichsten Dance-Tracks der Nullerjahre. Er bringt im Vocoder-Gesang des Titels nicht nur den Performance-Druck der Jugend in der Leistungsgesellschaft dieser Ära auf den Punkt, sondern überbrückte – nicht zuletzt durch das Sample in Kanye Wests »Stronger«, das im selben Jahr erschien – die Kluft zwischen elektronischem Pop europäischer Prägung und US-amerikanischem Hip-Hop-Mainstream. Klassiker. – bor
»Robot Rock«
Ein Gitarrenriff für die Ewigkeit – von einer Band, die mit Rockmusik eigentlich nichts am Helm hatte. Erzeugt wurde der fette Sound daher auch an einem Moog-Synthesizer mit Gitarrenpedalen. »Robot Rock«, eine Single aus dem Album »Human After All«, verneigt sich schön repetitiv und mit demselben Crossover-Impetus vor Genre-Vorbildern wie Kraftwerk (»Wir sind die Roboter«) und Herbie Hancock (»Rockit«). Ein Blick in die Maschinen-DNA von Daft Punk. – bor
»Get Lucky«
Es gibt ein paar Songs, die sind so gut, dass man ihnen nichts übel nehmen kann. »Get Lucky« ist so einer (»Groove is in the Heart« ein anderer). Songs, die sich als Ohrwürmer festbeißen, die auf jeder Betriebsfeier laufen, auf jedem Radiosender, bis ans Ende der Zeit. Und die trotzdem immer gut bleiben. Dass Daft Punk sich für »Get Lucky« ausgerechnet mit dem Produzenten Nile Rodgers zusammentaten, dürfte wahrscheinlich auch der größte Geniestreich ihrer Karriere gewesen sein: Mit der Band Chic erfand Rodgers schließlich in den Siebzigern diesen unwiderstehlichen, eleganten Groove, auf dem Daft Punk ihre ganze Karriere aufbauten. Da schloss sich ein Kreis. – rap
»Giorgio by Moroder«
Überhaupt war das Album »Random Access Memories«, auf dem »Get Lucky« erschien, eine eindrucksvolle Hommage an die Disco-Wurzeln der Siebzigerjahre – sorgfältig zusammengestellt wie ein musikwissenschaftliches Seminar zum Thema, aber natürlich viel unterhaltsamer. Es ist die Zeit, in der Thomas Bangalters Vater in der französischen Szene als Produzent kräftig mitmischte. Einer der Größten unter seinen Kollegen ist Giorgio Moroder – er erzählt hier seinen Lebensweg, der zu Klassikern wie »I Feel Love«. Eine Verbeugung, vor der man sich verbeugen kann. – feb
»Starboy«
Der öffentlichkeitsscheue US-Sänger The Weeknd (»I Can’t Feel My Face«) und die bühnen-anonymen Franzosen Daft Punk: Für die Franzosen erwies sich diese Kollaboration als ihre kommerziell erfolgreichste, zumindest in den USA: »Starboy«, die pulsierende Elektropop-Single vom gleichnamigen Weeknd-Album, bescherte Daft Punk das, was weder »Get Lucky« noch »Harder, Better, Faster, Stronger« geschafft hatten: ihre erste Nummer-eins in den »Billboard«-Charts. – bor
https://ift.tt/2NUeYdp
Unterhaltung
Bagikan Berita Ini
0 Response to "Zur Auflösung von Daft Punk: Diese Roboter-Hymnen bleiben unvergessen - DER SPIEGEL"
Post a Comment