Eine Fläche - doppelter Ertrag. Klingt utopisch, ist beim Agri-Photovoltaik-Konzept aber durchaus drin. Denn schon bald könnten Obst und Getreide unter Solardächern wachsen.
Die Äpfel auf dem Feld bei Gelsdorf in der Eifel sehen so rund und saftig aus, wie das bei der Trockenheit der letzten Wochen überhaupt möglich ist. Der Unterschied zum Obst auf dem Nachbarfeld: Statt unter freiem Himmel oder unter einem Hagelnetz wachsen sie unter einem Dach aus Solarzellen.
Agri-Photovoltaik (kurz Agri-PV) nennt sich das eigentlich simple Konzept. "Wir profitieren hier von dieser Doppelnutzung", sagt Christian Nachtwey. Der Obstbauer betreibt zusammen mit dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) ein Versuchsfeld, auf dem verschiedene Apfelsorten unter verschiedenen Solardächern wachsen.
Solarstrom und Landwirtschaft
Die landwirtschaftliche Fläche bleibe so erhalten, erklärt er. "Aber trotzdem haben wir die Möglichkeit, Solarstrom zu erzeugen, der uns für die Bewirtschaftung am Feld dann zur Verfügung steht." Für ihn sind solche Konzepte eine absolute Notwendigkeit, denn:
Noch ist es aber ein Blick in die (nahe) Zukunft, denn erst wollen Nachtwey und die Forschenden herausfinden, welche Äpfel sich mit Agri-PV überhaupt vertragen. Acht Sorten wurden zum Test hier angepflanzt. "Wir wissen, dass die Kulturen unterschiedlich anfällig sind für die Reduktion des Lichteinfalls, aber auch, was die Benässung durch den Regen angeht", sagt Andreas Steinhüser vom Fraunhofer ISE.
Solardach schützt vor Extremwetter
Noch ist das nicht geklärt, denn dafür sind die Bäume noch zu klein. In wenigen Jahren wissen Steinhüser und seine Kollegen mehr. Gut möglich, dass es manchen Äpfeln unter dem Solardach sogar besser gefällt. Denn das schützt nebenbei vor zu viel Sonne, Starkregen oder Hagel. Netze oder Folien wären so nicht mehr nötig.
Hoffnung machen Ergebnisse, die die Uni Hohenheim vor Kurzem vorgelegt hat. Auf einer Fläche am Bodensee hat sie die Auswirkungen einer Agri-PV-Anlage auf Kartoffeln, Sellerie, Kleegras und Weizen untersucht. Im Vergleich zu einer Fläche ohne Solardach lag der Ertrag im Schnitt bei 80 Prozent. Ebenso bei 80 Prozent lag der Stromertrag im Vergleich zu einer reinen PV-Fläche. Macht zusammen vielversprechende 160 Prozent.
Potenzial von Agri-PV noch größer
Und: Mit den passenden Pflanzen könnte das Potenzial noch größer sein, so die Vermutung. Nur ein Beispiel: Im extrem trockenen Jahr 2018 lag der Weizenertrag durch die Beschattung sogar um elf Prozent höher.
Auch die Bundesregierung erwartet offenbar Großes. Denn, so das Kalkül, Agri-PV liefert erneuerbaren Strom, nimmt aber auch die Landwirte mit und bremst den Flächenverbrauch. Ab Januar dürfen solche Anlagen daher aufgestellt werden und sie werden über das EEG gefördert. Steinhüser rechnet dann mit einem "richtigen Schub nach vorne".
1.700 Gigawatt Leistung möglich
Wie gut das tatsächlich angenommen wird, ist noch offen. Das Fraunhofer ISE sieht zumindest theoretisch ein Potenzial von 1.700 Gigawatt in Deutschland. Zum Vergleich: Die Leistung eines mittleren Atomkraftwerks liegt bei etwa eineinhalb Gigawatt. Dazu müsste sich Agri-PV aber auf breiter Front auch durchsetzen.
Vielleicht so wie in Ländern wie Frankreich, China oder in den USA, wo die installierte Leistung seit ein paar Jahren exponentiell zunimmt. Allein in Japan gibt es bereits mehr als 3.000 Agri-PV-Anlagen. Einer der Gründe: Dort werden sie bereits seit 2013 staatlich gefördert. Andreas Steinhüser jedenfalls ist auch für Deutschland optimistisch. Denn: "Für einen Landwirt ist es definitiv eine Win-win-Situation", glaubt er.
Mark Hugo ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion.
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Obst
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